Es war der Abend der Juilliard School und der Violinen aus der Werkstatt des italienischen Instrumentenbauers Giovanni Guadagnini: Beide Finalisten besuchen das renommierte New Yorker Konservatorium und beide spielten auf einer wunderschönen Guadagnini. Da außerdem beide das gleiche Wahlkonzert spielten, nämlich jenes von Johannes Brahms hätte man einen gleichförmigen Konzertabend erwarten oder gar befürchten können. Weit gefehlt, denn unterschiedlicher hätten die jeweiligen Interpretationen kaum sein können. Denn die beiden Musiker sind von sehr unterschiedlichem Naturell.
Den Auftakt machte der 21-jährige Amerikaner Kenneth Renshaw. Er wirkt im besten Sinne des Wortes sehr jungenhaft, fast ein bisschen brav und schüchtern betritt er die Bühne. Aber sein Spiel ist alles andere als zurückhaltend. Er geht das Pflichtwerk mit Energie und kraftvollem Ton an, allerdings auch mit einer sehr durchdachten, fast intellektuell wirkenden Sicht. Er hat die Partitur genauestens analysiert, und versteht es mit dem Orchester in Dialog zu treten.
Dabei ist er immer bedacht, so zumindest der Eindruck, nur ja keine Fehler zu machen. Dieses Gefühl hat man auch im Brahms Konzert. Dabei überrascht er immer wieder mit einem raumgreifenden Klang. Seine Solo-Kadenz ist nur so gespickt mit technischen Raffinessen, aber irgendwie fehlt mir gerade hier der große Bogen. Renshaw ist ein Kandidat, der ebenso begeistern wie irritieren kann. In jedem Fall ein sehr intelligenter Musiker.
Ihm folgte dann die Koreanerin Kim Bomsori, wie gesagt auch sie Schülerin an der Juilliard School, ihre Guadagnini Violine ist aus dem Jahr 1774, damit elf Jahre später gebaut als jene von Renshaw, aber vor allem ist sie knapp vier Jahre älter als der Amerikaner. Sie bringt jede Menge Erfahrung mit, war 2012 schon Halbfinalistin beim Concours Reine Elisabeth, übrigens die einzige ehemalige Teilnehmerin des Wettstreits, die es beim zweiten Versuch diesmal ins Finale geschafft hat. Zudem konnte sie in der Zwischenzeit unter anderem den sehr anspruchsvollen ARD Wettbewerb in München gewinnen. Das ist eine Referenz und der wird sie mehr als gerecht. Mit Engagement und vor allem Spielfreude durchlebt sie das Pflichtkonzert von Michael Jarrell. Sie beherrscht die Partitur, kann sich mit dem Orchester wunderbar austauschen. Ein glänzender Einstieg in ihr Programm und der Eindruck bestätigt sich beim Brahms-Konzert.
Mit einem herrlichen und sehr warmen, runden Ton geht sie das Konzert an, technisch ist sie, wie Renshaw, ganz auf der sicheren Seite, aber sie erreicht nach meinem Empfinden noch stärker das Publikum. Es ist durchgehend ein Vergnügen ihr zuzuhören. Sie geht auf das Orchester ein, gestaltet klangschön jede Phrase im umfangreichen Eingangssatz. Im nachfolgenden Adagio atmet sie förmlich jede Sequenz mit, im Finale versteht sie es den tänzerischen Charakter in den Vordergrund zu stellen.
Der Jubel des Publikums ist ihr er gewiss. Es gibt die ersten Standing Ovations der Finalwoche. Dies ist ein Zeichen, aber mehr auch nicht. Denn es werden noch sechs weitere Finalisten zu hören sein, bis dann am Samstag das Ergebnis vorliegen wird. Am Donnerstagabend sind zwei junge Männer dran: der Chinese Xiao Wang und der Amerikaner William Hagen. Allmählich steigt die Spannung.
Bild: Laurie Dieffembacq (belga)