Tatsächlich zählt er seit der ersten Runde des Concours zu den vermeintlichen Favoriten: der 24-jährige Tobias Feldmann. Am Montagabend bestätigte er die hohen Erwartungen und dies gleich unter mehreren Gesichtspunkten. Doch lassen Sie uns chronologisch vorgehen, denn der erste Kandidat dieser Finalwoche war der Taiwanese William Ying-Yi Wei. 20 Jahre ist er jung und studiert an der Julliard School in New York. Ihm kam die Ehre zuteil das Pflichtkonzert zur Uraufführung zu bringen. Bekanntlich müssen alle zwölf Finalisten ein ihnen bis dahin unbekanntes neues Werk innerhalb einer Woche in der Chapelle Reine Elisabeth einstudieren. Dies ist eine der außergewöhnlichen Herausforderungen des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs.
In diesem Jahr wurde der Schweizer Komponist Michael Jarrell mit dieser Komposition beauftragt und er schuf mit dem gut achtminütigen Stück "...aussi peu que les nuages..." ein unglaublich virtuoses Werk, das vor allem die Fingerfertigkeit der Kandidaten fordert. William Ying-Yi Wei lieferte eine korrekte aber wenig packende Wiedergabe. Gleiches muss man auch von seinem Wahlkonzert, dem Schostakowitsch-Konzert sagen. Wei schafft es nicht den Hörer zu packen, alles wirkt sehr brav und zurückhaltend.
Ganz anders danach Tobias Feldmann. Beim Pflichtkonzert hatte man den Eindruck ein völlig anderes Werk zu hören. Das war eine beseelte Interpretation, die Virtuosität macht ihm scheinbar gar nicht zu schaffen, Feldmann versteht es mit sehr viel Tiefe und Expressivität zu erzählen, ohne dass man die vorhandene Virtuosität vordergründig spürt. Im kurzen langsamen Mittelteil lässt er sein Instrument sogar auf das Allerschönste singen.
Das war schon vielversprechend für das nachfolgende Wahlkonzert, das Konzert Nr 2 von Bela Bartok. Feldmann erfasst im ersten Satz mit einer atemberaubenden Sicherheit den Geist dieser Musik: Da verschmelzen die folkloristischen Momente mit den äußerst komplexen Strukturen. Tobias Feldmann ist ganz in seinem Element: Hochkonzentriert und doch immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Und dann passiert das Unerwartete: Eine Saite reißt. Ein Raunen geht unmittelbar durch den ganzen Saal, über 2.000 Besucher sind wie versteinert, aber einer behält die Nerven: Tobias Feldmann reicht innerhalb des Bruchteils einer Sekunde sein Instrument dem Konzertmeister des Nationalorchesters, nimmt dessen Violine und spielt unmittelbar weiter.
Die Dirigentin Marin Alsop muss gar nicht unterbrechen, Feldmann fügt sich sofort wieder in das Geschehen ein. Das war mehr als professionell, das war hohe Kunst und ein Zeichen von einer Souveränität, wie man sie bei einem Wettbewerb wirklich nur ganz selten erlebt. Nach dem ersten Satz verlässt Feldman die Bühne und kehrt nach wenigen Minuten unter brausendem Beifall des Publikums mit seiner jetzt wieder viersaitigen Stradivari zurück und setzt das Konzert mit ebenso intelligenter wie sensibler Deutung fort. Feldmann ist, dass darf man jetzt schon sagen, ein Kandidat für einen Preis. Welchen? Das wird die Woche noch zeigen.
Schon am Dienstagabend ist mit seinem Landsmann Thomas Reif ein weiterer vielversprechender Musiker an der Reihe, außerdem spielt die Japanerin Fumika Mohri. Bis Samstag werden an jedem Abend jeweils zwei Finalisten im restlos ausverkauften Brüsseler Palais des Beaux Arts das Pflichtwerk und ihr Wahlkonzert präsentieren.
In der Sendung Klassikzeit stellen wir ihnen in dieser Woche alle Finalisten des Concours Reine Elisabeth im Interview vor.
Bild: Laurie Dieffembacq (belga)