In der vorigen Saison konnte das Theater Aachen mit "Rusalka" von Antonin Dvorak einen großen künstlerischen Erfolg feiern. Dass der "Rusalka" jetzt "Jenufa" von Leos Janacek als zweite tschechische Oper folgt, ist nur logisch. Und wieder ist das Ergebnis begeisternd.
Regisseur Michael Helle gelingt eine überzeugende Inszenierung, die Sänger geben den einzelnen Figuren stimmlich wie darstellerisch den treffenden Ausdruck.
"Jenufa" ist ein Opernmeisterwerk, das mittlerweile seinen Weg ins Repertoire gefunden hat. Es ist eine naturalistische, fast veristische Oper, die Janacek vor gut 100 Jahren komponierte. Die Handlung spielt in einem mährischen Dorf, es geht um Liebe, Verrat, Kindesmord und Vergebung.
Das junge Mädchen Jenufa ist in den draufgängerischen Steva verliebt, wird selber aber von dem eher schüchternen Laca begehrt. In einem verzweifelten Moment hat er Jenufa mit einem Messer die Wange geritzt, sie ihrer Schönheit beraubt. Darauf lässt Steva von ihr, obwohl er sie geschwängert hat. Im zweiten Akt erleben wir, wie Jenufa von ihrer Mutter, der Küsterin, vor den Augen der Dorfgemeinschaft versteckt wird, das Kind gebären konnte, das die Mutter als Schande ansieht, von der sie ihre Tochter befreien möchte. Sie wird das Kind, während Jenufa schläft, töten.
Damit ist Jenufa in der Sicht der Mutter wieder frei und sie wird Laca, der sie immer noch liebt, heiraten können. Das Hochzeitsfest steht an, da gibt der wieder aufgetaute Fluss, den toten Leichnam des Kindes frei, und nachdem zunächst Jenufa des Kindsmordes angeklagt wird, gesteht die Mutter das Verbrechen und im letzten Bild gehen Jenufa und Laca einer ungewissen gemeinsamen Zukunft entgegen.
Michael Helle erzählt diese Geschichte in dunklen, grauen Bildern, nur beim Hochzeitsfest erlaubt er sich bei den folkloristischen Kostümen einen Farbtupfer. Das erinnert ein wenig an Bilder der Brüsseler Jenufa-Produktion der vorigen Saison. Eine noch größere und erstaunliche Parallele bildet der Guckkasten in dem der komplette zweite Akt spielt, genau wie jener in der Hermanis-Inszenierung in Brüssel. Das ist fast eine Kopie bis ins kleinste Detail. Wahrscheinlich drängt sich dieses Bühnenbild in dieser klaustrophoben Stimmung nahezu auf.
Die Sprache an sich und ihr Rhythmus ist für Janacek der Ausgangspunkt der gesamten musikalischen Gestaltung gewesen, deshalb finden sich in "Jenufa" auch keine großen Arien, es ist ein erzählender Stil, der den Sängern alles abverlangt. Da kann man dem Aachener Ensemble wirklich nur gratulieren. Abgesehen von der Titelrolle der Jenufa, die von Linda Ballova gesungen wird, die vorige Saison schon als Rusalka glänzte und diesmal mit herrlich lyrischem Ton bravourös das junge Mädchen Jenufa gestaltet, finden wir nur Hauskräfte in den Solopartien: Der Tenor Chris Lysack glänzt als Laca und vor allem Irina Popova gestaltet grandios die Rolle der Küsterin.
Aus dem Orchestergraben klingt ein kraftvoller, dramatischer Janacek, dem vielleicht ab und zu ein wenig die sanft lyrische Seite fehlt, zumindest am Premierenabend. Aber das wird sich gewiss noch entwickeln. Bis zum 4. Juli steht "Jenufa" noch auf dem Programm des Theaters Aachen. Ein Besuch lohnt sich.
Alle Infos gibt es unter theateraachen.de.
Bild: Carl Brunn