Wer kennt nicht das Lied vom "Büblein klein an der Mutterbrust". Dies ist eine der Melodien aus Otto Nicolais Komischer Oper "Die lustigen Weiber von Windsor". Der Handlung liegt Shakespeares "Falstaff"-Geschichte zugrunde, die viele Jahre nach Nicolai auch Giuseppe Verdi zu einer Oper inspirierte. Und wen wundert es: Verdi lief Nicolai im Laufe der Zeit den Rang ab, sodass die Lustigen Weiber in der Mottenkiste landeten. Nicolai hing der Ruf des Biedermeierlichen an. Da braucht es frischen Wind, um das Stück auch für unsere Zeit interessant und vor allem amüsant zu machen. Denn es ist eine Komödie und der junge Regisseur David Hermann versteht es in seiner Inszenierung das Muffig-Verstaubte von der Bühne zu fegen.
So verlegt er die Geschichte in die Jetzt-Zeit und der alte Schwerenöter Falstaff ist viel mehr ein Produkt der Phantasie der Damen Fluth und Reich und sie sind es wohl eher die von ihren Trieben geleitet werden, als der Falstaff selber. So kann man die Geschichte auch deuten.
Das Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic ist ebenso einfach wie treffend. So beginnt die Oper in einer Bar mit dem bezeichnenden Namen "Le Chic", dann bringt Herr Reich mit Akribie seinen BMW auf Hochglanz, der Restmüll wird säuberlich in den entsprechend korrekten Mülltonnen getrennt, der englische Garten ist fein angedeutet, man besitzt sogar einen kleinen Swimmingpool, pardon, ein Planschbecken, am Ende dreht sich alles ums efeubedeckte Bett. Und zwischendurch sind wir immer im Behandlungszimmer eines Psychotherapeuten. Hier bestimmt ein überdimensionierter Rorschach-Test die Rückwand.
Jetzt fragt sich vielleicht manch einer: Wie kommt ein Psychotherapeut in die "Lustigen Weiber von Windsor? Ich finde, das ist ein sehr gelungener Einfall von David Hermann. Er streicht die unsäglichen gesprochenen Dialoge des Originals und ersetzt sie durch die ebenso amüsanten wie fundierten Analysen dieses Psychotherapeuten, den der Schauspieler Sébastien Dutrieux vortrefflich spielt. Seine Analysen sind übrigens in französischer Sprache, der Rest, die Arien wie Chöre im deutschen Original. Das funktioniert perfekt und durch diesen kleinen Kunstgriff erhält das Ganze eine aktuelle Note.
Die Darsteller haben ihren Spaß am Spiel. Vielleicht gehen ab und zu mit ihnen auch mal die Pferde durch. Franz Hawlata als Falstaff und Werner van Mechelen als Herr Fluth spielen und singen großartig ihre Partien, aber manchmal gehen sie über die Grenze der Komik hinaus auf die Klamaukseite. Eines fällt auf, die Aussprache aller Protagonisten ist vorbildlich, man versteht fast jedes Wort, das verdient ein besonderes Kompliment. Zum Beispiel singt der Italiener Davide Giusti grandios die Partie des jungen Liebhabers Fenton und den Namen der jungen belgischen Sopranistin Anneke Luyten muss man sich merken. Sie singt und spielt sehr überzeugend die Frau Fluth.
Nicht ganz so überzeugend war am Premierenabend die Orchesterleistung. Bei aller versuchten und gesuchten Leichtigkeit klang das Orchester unter der Leitung von Christian Zacharias allzu deftig schwerfällig, auch gab es bei einigen Solopassagen kleinere Pannen. Fazit: Diese "Lustigen Weiber von Windsor" in Lüttich sind ein unterhaltsamer Spaß, leicht verdaulich, aber auch ohne große Nachwirkungen.
Bild: Opéra Royal de Wallonie - Opéra Liège