Beim Namen Richard Strauss denkt man gleich an Opern wie Rosenkavalier, Salome und Elektra. Das sind die meistgespielten Strauss-Opern und darüber vergisst man allzu schnell, dass Richard Strauss noch weitere Beiträge zum Musiktheater geliefert hat. Dazu zählt Daphne, eine Oper aus dem Jahre 1938. Nur selten steht das Werk auf den Spielplänen der Opernhäuser. Umso erfreulicher ist es, dass die Brüsseler Oper La Monnaie Daphne jetzt auf die Bühne bringt.
Eine "Bukolische Tragödie" hat Richard Strauss seine Oper Daphne genannt. Das junge Mädchen Daphne wird von ihrem Jugendfreund Leukippos und von Gott Apollo begehrt. Apollo tötet Leukippos, erst dann wird sich Daphne ihrer Liebe zu Leukippos bewusst. Als Apollo die Verzweiflung Daphnes sieht, erlaubt er ihr, sich in einen Baum zu verwandeln um der geliebten Natur für immer nahe zu sein. So weit – natürlich sehr verkürzt zusammengefasst - die Handlung der Oper.
Regisseur Guy Joosten tut gut daran, uns nicht mit idyllischen Landschaftsszenen oder Aufmärschen der Hirten mit ihren Herden in historisierende Bilder zu versetzen. Er überträgt die Geschichte in unsere Zeit und stellt zwei Welten gegenüber: Einerseits die verrucht verkommene Welt der Börsianer, bei denen sich alles nur um die Aktienkurse und das schnelle Vergnügen dreht und andererseits das Engagement für einen ausgewogenen und auch liebevollen Umgang mit der Natur und den Menschen der Daphne. Sie ist eine grüne Sympathisantin oder gar Aktivistin.
Tatsächlich ist eine solche Deutung ebenso schnell klischeebehaftet: Da muss zwischendurch die Linie Koks gezogen werden, da achtet das Bacchanal in eine zwar farbenfrohe aber doch mit Plattitüden versetzte Orgie aus, aber Joosten gelingt es, nicht in eine durchgehend karikaturale Sicht zu verfallen. Vor allem in den intimeren Szenen zum Ende der Oper zeigt sich seine Kunst der Personenführung., Da fühlt man mit der jungen Daphne.
Sehr beeindruckend ist das Bühnenbild. Ein breiter Treppenaufgang ist den Börsianern ihre Spielwiese, Daphne zieht sich am liebsten in einen bis zur Bühnendecke reichenden riesigen Baum zurück, dessen Konstruktion an sich schon eine technische Meisterleistung ist. Auf diesen Baum werden dann auch immer wieder grandiose Bilder des Videokünstlers Franc Aleu projiziert: Fast unmerklich verwandeln sich hier Pflanzen in Körper und Gesichter. Am Ende des Werks, wenn Daphne sich laut Libretto in diesen Baum verwandelt, da wird sie mehr als nur eins mit ihm. Langsam steigen Flammen am Baum hoch. Möchte Joosten uns hier zeigen, dass wir dabei sind selber die Natur zu zerstören?
Mit Sally Matthews konnte eine grandiose Interpretin für die Titelpartie engagiert werden. Daphne ist eine überaus anspruchsvolle Rolle, selbst in den flirrenden Höhen versteht es Sally Matthews das groß besetzte Orchester stimmlich zu überragen. Ebenso überzeugend ist Eric Cutler als Apollo. Dirigent Lothar Koenigs, den wir schon bei der Elektra-Produktion vor einigen Jahren in Brüssel erleben konnten, zeigt wieder, dass er ein versierter Strauss-Kenner ist. Ihm gelingt der Spagat zwischen Klangrausch und der notwendigen Zurückhaltung, um die Sänger nicht ständig zu übertönen. Die Gefahr ist nämlich schnell gegeben. Am Premierenabend konnten vor allem die Streicher mit süffigem Sound begeistern, die Bläser zeigten bei den Soloeinsätzen leider einige kleine Unsicherheiten.
Daphne steht noch bis 30. September auf dem Spielplan von La Monnaie.
Bild: Karl und Monika Forster