Pünktlich um 21 Uhr setzte in Lüttich ein leichter Nieselregen ein. Der Veranstalter begrüßte auf humorige Art die Gäste und wünschte allen einen schönen Opernabend und versprach, dass es in wenigen Minuten zu regnen aufhören würde. Der Mann hatte recht! Tatsächlich sollten die Besucher auf den Rängen im Innenhof des Palais des Princes-Evèques einen zwar kühlen aber vor allem trockenen Opernabend erleben.
Schon im 20. Jahr bietet das eindrucksvolle Ambiente den idealen Rahmen für eine sommerliche Opernaufführung. Mit "La Bohème" stand diesmal ein wahrer Hit des Musiktheaters an. Die herrliche Fassade mit ihren Erkern und Fenstern dient als Projektionsfläche für die Lichtgestaltung, die mal abstrakt und mal konkret ist. Natürlich lässt der Lichtdesigner im dritten Akt, der ja im Winter spielt, die Schneeflocken tanzen. Das ist im Sinne eines "Son et lumière-Spektakels" ebenso naheliegend wie angemessen.
Für die Inszenierung zeichnet mit Albert-André Lheureux ein erfahrener Theatermann verantwortlich. Lheureux hat schon in den 1980er Jahren im Lütticher Opernhaus sein Können gezeigt und erzählt nun auf sehr klar verständliche Art und Weise die tragisch endende Liebesgeschichte von Mimi und Rodolfo. Da gibt es kein Schnick Schnack, keine psychologische Deutung. Und selbst die doch recht zahlreichen Schnitte in der Partitur trüben nur unwesentlich die Aufführung. So verzichtet man zum Beispiel auf den Kinderchor in der Momus-Szene des zweiten Akts. Da dürften wohl auch Budget-Zwänge eine Rolle spielen.
Das Solistenensemble war überwiegend jung besetzt. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Tenor in den hohen Passagen seine Stimme schon sehr stark drücken muss, um die Spitzentöne zu erreichen und die Sängerinnen der Mimi respektive der Musetta ebenfalls in der Höhe und im Forte stimmliche Schärfe deutlich werden ließen. Vielleicht lag es auch an der Mikrophonie, denn, da der Innenhof des Palais akustisch natürlich nicht den Anforderungen eines Opernhauses entspricht, wird mit Verstärkeranlage gearbeitet. Überzeugend waren aber die drei Künstlerfreunde des Rodolfo, allen voran konnte Laurent Kubla als Maler Marcello mit seiner Baritonstimme begeistern. Ganz anders leider der sehr klein besetzte Chor: die 15 Sängerinnen und Sänger konnten nie einen runden Gesamtklang projizieren.
Eric Lederhandler übernahm mit seinem Ensemble Nuove Musiche wie auch in den Jahren zuvor den Orchesterpart. Sie musizieren unter den Arkaden, damit hinter dem Podium. Keine ideale Voraussetzung. Große dynamische Differenzierungen, die Puccini nun mal verlangt und die auch den Reiz der Partitur ausmachen, sind da kaum zu realisieren. Aber es war mehr als eine grundsolide Leistung.
Diese Bohème wird noch am Freitagabend an gleicher Stelle gegeben, dann stehen noch vier Vorstellungen vor dem Schloss de Bois Seigneur Isaac in Ohain sowie zwei vor Kasteel Ooidonck in Deinze an.
Archivbild: Opéra Liège