Die Brüsseler Oper La Monnaie zählt weltweit zu den Opernhäusern, die am häufigsten Uraufführungen in Auftrag geben. Nach Kris Defoort und Benoit Mernier wurde nun die neueste Oper von Philippe Boesmans aus der Taufe gehoben.
Philippe Boesmans ist in vielerlei Hinsicht der Lehrmeister der jüngeren belgischen Komponistengeneration. "Au Monde" ist die siebte Oper, die der mittlerweile 78jährige Komponist vollendete. Und es ist ein großartiges Werk, das am Sonntag in La Monnaie uraufgeführt wurde.
Die Uraufführung von "Au monde" machte es wieder einmal deutlich: Philippe Boesmans versteht es wie nur wenige Komponisten unserer Zeit, für die Stimme zu schreiben. Er schafft Melodielinien von berückender Schönheit und Intensität und er schreibt mit einer immer wieder verblüffenden Textverständlichkeit. Nach seiner vor fünf Jahren uraufgeführten Oper "Yvonne" ist "Au monde" seine zweite Oper in französischer Sprache. Ausgangspunkt ist ein Theaterstück von Joël Pommerat, der auch selber die Regie der neuen Boesmans-Oper übernommen hat.
Die Handlung der Oper spielt im Haus eines Fabrikanten, der durch Waffengeschäfte zu Reichtum gekommen ist. Er möchte nun seinen Nachlass regeln. Als Erbe hat er seinen zweiten Sohn Ori auserkoren, der, ob ehrenhaft oder nicht, aus der Armee ausgeschieden ist. Aber da gibt es auch den älteren, dem Vater treu dienenden Sohn und die drei Schwestern.
Die Älteste ist schwanger, von wem weiß man nicht, die zweite Tochter, die übrigens den Hauptpart der Oper trägt und glänzend von Patricia Petibon interpretiert wurde, ist ein Fernsehstar mit den allseits bekannten Allüren. Und es gibt noch eine junge Schwester, die sich stets ungeliebt fühlt, wurde sie doch adoptiert als Ersatz für ein verstorbenes Mädchen. Und dann spielt auch noch der Gatte der ältesten Tochter eine undurchsichtige Rolle ebenso wie eine fremde Frau, die plötzlich in dieser Familie auftaucht. Pommerat lässt alles in der Schwebe. Es ist eine Geschichte um möglichen Inzest, um Untreue, Frauenmord. Als Betrachter kann man alles in dieses Stück projizieren, ein Stück, das verwirrt und zugleich zu Diskussionen anregt. Was will man mehr vom Theater.
Zumal Philippe Boesmans daraus ganz großes Musiktheater macht. Dirigent Patrick Davin hatte es uns schon vorab im Interview gesagt, Philippe Boesmans hat keine Angst vor der Tonalität. Er braucht nicht mehr nach revolutionär Neuem zu lechzen, kann auf seine Erfahrungen von sieben Opern zurückgreifen und hat auch keine Scheu vor älteren Modellen.
Besonders auffällig ist das regelmäßig wiederkehrende Zitat des Evergreens "My way", der deutlich erkennbar mehrfach auftaucht und doch verfremdet wird, dadurch, dass er zum einen von der fremden Frau im Playback und mit einer Männerstimme im Hintergrund gesungen wird, zum anderen auch immer wieder versteckt als Instrumentalpassage in der Partitur erscheint. Aber auch Debussy oder Richard Strauss etwa in einem Trio der drei Schwestern, das an das berühmte Rosenkavalier-Terzett erinnert. Und vor allem Benjamin Britten, da darf man Peter Grimes denken.
Joël Pommerat inszeniert die Oper in einem sehr dunklen geschlossenen Raum mit ganz wenigen Requisiten, ein Tisch, einige Stühle, mal ein Bett, mal ein Sofa, mehr braucht es nicht. Dazu wechselnde Lichtschächte vom Boden bis zur Decke als einzige Beleuchtung. Der ideale Rahmen für dieses in sich geschlossen Familiendrama.
Neben der schon erwähnten Patricia Petibon sind alle anderen Protagonisten ebenso überzeugend, etwa Stéphane Degout als Ori, Charlotte Hellekant als älteste Schwester oder Frode Olsen als der Patriarch. Grandios auch die Leistung des Orchesters von La Monnaie. Patrick Davin hat mit einer unglaublichen Akribie und ebensolchem Feingefühl die Partitur mit den Musikern erarbeitet.
Am Ende der Premierenvorstellung, die übrigens Gerard Mortier gewidmet war, der vor 30 Jahren Philippe Boesmans den ersten Kompositionsauftrag zu einer Oper gab, wurde Boesmans noch eine große Ehre zuteil. Ab sofort ist sein Name neben Mozart, Verdi oder Janacek in einer der Rundplaketten im Brüsseler Opernhaus verewigt. Eine verdiente Ehre für einen großen belgischen Komponisten. "Au monde" steht noch bis zum 12. April auf dem Spielplan von La Monnaie.
Hans Reul - Bild: Bernd Uhlig
Ich habe in ihrem Beitrag aus Aachen gelesen, dass die Oper "Au Monde" gespielt wird. Könnten Sie mir sagen, wann und wo man Karten bestellen kann.
Liebe Grüße
Jean-Marie Keutgen,
Sehr geehrter Herr Keutgen,
Karten sind im Theater Aachen erhältlich. Aufführungen gibt es am 11. und 16. Dezember, am 3., 17. und 31. Januar sowie am 13., 18. und 26. Februar.
Viele Grüße
Melanie Ganser, BRF-Webredaktion