Wenn eine Verdi-Oper als große Oper bezeichnet werden darf, dann ist dies Don Carlo. Ausgehend von dem bekannten Schiller-Drama erzählt Verdi die Geschichte des Infanten Don Carlo, der aus Staatsraison auf Elisabeth von Valois verzichten muss, denn diese wird von seinem eigenen Vater, König Philipp II geehelicht. Aber diese Oper ist nicht nur eine Dreiecksgeschichte, es fließen auch machtpolitische Fragen ein, denn auch der Drang nach Freiheit des durch die Spanier unterdrückten Flanderns spielt eine ebenso wichtige Rolle. Was macht nun Regisseur Michael Helle aus dieser mit allen Ingredienzen versehenen Oper? Reichlich wenig bis gar nichts.
Michael Helle, der in Aachen unter anderem vor Jahren eine eindrucksvolle "Tosca" inszenierte, fällt zu Don Carlo erstaunlicherweise nichts ein. Dass die gesamte Oper, es sind doch rund dreieinhalb Stunden Musik, in einem kargen Einheitsbühnenbild spielt, ist ja an sich nicht schlimm. Wir schauen auf drei mit Seidentapete bespannte Wände, deren Rückwand sich einmal nach vorne bewegt und man sich fragt: warum? Als Requisiten reichen ein Sofa, das im ersten Akt, der im Wald von Fontainebleau spielt, unter Schneeflocken steht, sowie ein Stuhl und ein Sessel respektive Thron als Zeichen der Macht. Wie gesagt, diese Reduzierung muss einer Inszenierung nicht schaden, wenn dann die Personenführung der Handlung Ausdruck verleiht. Aber dies ist auch nicht der Fall. Eher unbeholfen stehen die Protagonisten meist nebeneinander, Beziehungen werden keine aufgebaut. Ansonsten gibt es ab und zu unnötigen Kokolores, wenn die Hofdamen Apfelsinen schälen oder eine Putzfrau die Blutlache des ermordeten Posa wegwischt. Diese Inszenierung ist wirklich eine vertane Chance. Schade.
Was von dem Abend bleibt, ist dann die Musik und der Gesang. Und wenn man in Betracht zieht, dass Aachen ein eher kleines Haus ist, zieht sich das Ensemble gut aus der Affäre. Es sind nur zwei Gäste eingeladen: Andrea Shin bewältigt beeindruckend die anspruchsvolle Partie des Don Carlo, auch wenn ihm in der Höhe ein wenig der Glanz fehlt. Irina Popova ist eine überzeugende Elisabeth, allerdings ist ihr Vibrato oftmals etwas zu breit. Leider wirkt der stimmlich gut aufgelegte Hrolfur Saemundson durch sein Spiel als Posa gar nicht glaubwürdig. Besonders hervorzuheben ist Woong-jo Choi als König Philipp. Mit Bravour und sehr klangschön meistert er die Partie.
Kazem Abdullah lässt das Orchester die dunklen Farben der Verdi-Partitur mit großem Klang darbieten. Vielleicht sogar ein wenig zu kraftvoll, etwas mehr Lyrik wohnt dem Werk auch inne. Aber insgesamt verdient das Orchester Respekt, dieser umfangreichen Partitur gerecht zu werden. Bis Ende Mai steht Don Carlo noch elf Mal auf dem Spielplan des Theater Aachen.
Bild: Carl Brunn