Einen solchen Medienauflauf hat die Antwerpener Oper noch nie erlebt. Am Sonntagabend waren die Feuilletons aller bedeutenden Zeitungen vertreten, um über das Operndebüt des Jahres zu berichten. Christoph Waltz, den die Fernsehzuschauer als oft geheimnisvollen Darsteller aus zahlreichen Krimiserien kennen und den die internationale Filmwelt spätestens seit Tarrantinos "Inglorious Basterds" zu Recht als großartigen Schauspieler verehrt, wagt sich an seine erste Operninszenierung. Und dann gleich der Rosenkavalier von Richard Strauss.
Christoph Waltz hat es im vorhinein betont, dass von ihm keine Bilderstürmerei zu erwarten sei und er ohnehin mit dem Regietheater nichts anfangen kann. Das ist sein gutes Recht und mehr als legitim, denn den Skandal um des Skandals willen, den braucht keiner mehr. Somit hätte man ein in Plüsch erstarrtes Bühnenspiel erwarten können. Aber, bei allen Anlehnungen an alte Wiener Produktionen "à la Otto Schenck", bringt Christoph Waltz ein Kammerspiel auf die Bühne, dessen Ausstattung als eher karg zu bezeichnen ist.
Ein Einheitsbühnenbild in hellgrau, das im ersten Akt, der ja im Zimmer der Feldmarschallin spielt, mit einem Himmelbett und einigen Stühlen als Dekor auskommt und sich in den nächsten beiden Akten nur unwesentlich verändert. Es ist allerdings eine Entwicklung vom Privaten zum Öffentlichen zu erkennen, die Wände werden transparenter und im dritten Akt mit dem herrlichen Terzett, bei dem die Feldmarschallin ihren jungen geliebten Octavian Sophie zuführt, kann die Öffentlichkeit das Geschehen beobachten.
Es ist feine Personenregie zu erkennen, auch legt der Kinokünstler Waltz Wert auf Details in Gestik und vor allem Mimik, aber ob dies auch von den hinteren Plätzen des Opernhauses oder gar von den Rängen zu deuten ist, wage ich fast ein wenig zu bezweifeln. Eine Opernbühne ist weitläufiger als eine Kinoleinwand, auf der in jede Gesichtsregung gezoomt werden kann.
Richard Strauss bezeichnet den Rosenkavalier als ein Komödie mit Musik. Christoph Waltz ist kein Mann des grobschlächtigen Humors. Das ist zunächst ein Pluspunkt, denn einen komödienstadeltypisch herumpolternden Baron Ochs will auch keiner mehr sehen, aber ein bisschen mehr Spielwitz wäre dem Wienerischen Flair schon zugute gekommen. So ist es das in dieser Oper stets präsente Tragisch-Melancholische, das die Überhand gewinnt. Insgesamt darf man das Openregiedebüt von Christoph Waltz nicht als missglückt, aber auch nicht als Geniestreich bezeichnen.
Doch vergessen wir bei allem Hype um Oscar-Preisträger Waltz nicht den Gesang und die Musik. Gesungen wird in Antwerpen auf allerhöchstem Niveau. Die Besetzung ist bis in die zahlreichen kleineren Rollen durchgehend überzeugend. Seien es die beiden sehr gelungenen Rollendebüts von Maria Bengtsson als Feldmarschallin und Christiane Karg als Sophie, ein wenig blasser hingegen Stella Doufexis als Octavian. Andererseits absolut beeindruckend Albert Pesendorfer als Baron Ochs, bei dem man endlich mal jedes Wort versteht, obwohl Chefdirigent Dmitri Jurowski sein Orchester oft im Fortissimo aufspielen lässt. Das mag dem einen oder anderen sogar zu laut erscheinen, ich muss gestehen, mich hat die opulente Ausleuchtung sämtlicher Orchesterfarben der Strausschen Partitur überzeugt.
Der Rosenkavalier wird nach den Vorstellungen in Antwerpen auch in Gent und Luxemburg gezeigt. Später steht die Produktion noch auf dem Spielplan von Covent Garden in London.
Bilder: Vlaamse Opera/Annemie Augustijns, Bob Van Mol