Wer kennt sie nicht, die herzergreifende Liebesgeschichte von Romeo und Julia, die aus verfeindeten Familien stammen und trotz aller Widerstände sich lieben, sogar heimlich die Ehe schließen? Das konnte nur tragisch und folgerichtig mit dem Tod der beiden Liebenden enden. Shakespeare schrieb mit Romeo und Julia die berühmteste Liebestragödie, die auch andere Künstler nicht unberührt lassen konnte.
Sei es Sergeï Prokofiev mit einem Ballett, Peter Tschaikowsky mit einer sinfonischen Fantasie, Leonard Bernstein mit seiner Übertragung der Geschichte nach New York in der West Side Story oder eben Charles Gounod, der Mitte des 19. Jahrhunderts seine große lyrische Oper "Roméo et Juliette" schuf.
Der Regisseur Arnaud Bernard versteht es, in seiner Inszenierung, die derzeit in Lüttich zu sehen ist, auf all zu viel schmückendes und kitschiges Beiwerk zu verzichten. Eher karg wirkt die Bühne, drei fein ausgeleuchtete Wände begrenzen den Spielraum. Sonst sind nur wenige Requisiten zu sehen: so etwa eine große Tafel für das Fest bei den Capulets, ein Sekretär für die Einsiedelei des Pater Lorenzo, oder ein Totenbett für den abschließenden fünften Akt, wo das Schicksal seinen Lauf nimmt und sich Romeo und Julia das Leben nehmen.
In diesem Bühnenbild lässt er die Protagonisten agieren. Leider übertreibt er es in den Massenszenen etwas mit der Action: Da wird wild gefochten, gerannt und gesprungen. Anders die intimen Duette, hier spürt man dann doch die sentimentale Tiefe des Werkes. Das sind auch die musikalisch herausragenden Momente. Hier lässt Dirigent Patrick Davin das Orchester der Königlichen Oper der Wallonie die ganze Innigkeit der Partitur darstellen. Überhaupt spielt das Orchester wieder einmal auf sehr hohem Niveau und nutzt die zahlreichen Instrumentalpassagen, um zu beweisen, welch tolle Entwicklung dieser Klangkörper in den letzten Jahren genommen hat.
Bei den Solisten ragt natürlich Annick Massis als Julia heraus. Zum einen ist schon die Partitur nur so von technischen Anforderungen gespickt, die die Partie der Julia in Mittelpunkt rückt, aber Annick Massis wird ihrem Ruf als eine der großen Sopranistinnen des französischen Repertoires mit einer beeindruckenden Natürlichkeit gerecht.
An ihrer Seite ist Aquiles Machado ein in den Mittellagen klangschöner Romeo, leider fehlt ihm ein wenig die Höhe, die den jugendlichen Liebhaber auszeichnet. Besonders hervorheben möchte ich noch Patrick Bollaire als Pater Lorenzo, der mit einer der Rolle würdigen Tiefe glänzt.
Bis nächste Woche Dienstag steht "Roméo et Juliette" von Charles Gounod noch auf dem Spielplan der Lütticher Oper.
Bilder: Jacques Croisier (ORW)