Es ist gewiss kein leichtes Unterfangen, Mozarts "Entführung aus dem Serail" auf die Bühne zu bringen. Die zahlreichen gesprochenen Passagen des Singspiels können langatmig wirken, die Geschichte um die beiden von einem Pascha entführten Mädchen und ihre Befreiung kann zur reinen an Plattitüden gespickten Farce werden oder wird im Gegenteil so politisch korrekt oder auch mal inkorrekt überladen, dass der Humor verloren geht.
Ganz anders in der Inszenierung des argentinischen Theatermanns Alfredo Arias. Er erzählt ganz einfach die Geschichte, versteht es durch eine sehr präzise Personenführung, Spannung und Spaß zu erzeugen. Und dies in einem sehr schönen Einheitsbühnenbild: Wir schauen auf ein von einem riesigen goldenen Rahmen begrenztes Gemälde mit einem strahlend blauen Himmel, der sich über den Rahmen fortsetzt, dazu drei kleine Wasserbecken auf dem Boden, zwei schräge Emporen an der Seite.
Sonst nichts. Hier haben die Protagonisten in sehr genau gewählten Kostümen, die ihrer jeweiligen sozialen Position entsprechen die Möglichkeit, eindrucksvoll zu agieren. Blondchen, die Zofe Konstanzes trägt eine Schürze, Osmin, der Haremswächter ist ein stämmiger übereifriger Diener in Uniform.
Franz Hawlata verleiht diesem Osmin durch seine tiefschwarze und kräftige Stimme eine perfekt aufgesetzt und dadurch komisch wirkende Autorität. Elizabeth Bailey singt wunderschön das Blondchen und vor allem Maria Grazia Schiavo glänzt in der anspruchsvollen Rolle der Konstanze. Ob in der risikobeladenen Koloraturarie "Martern aller Arten" oder in lyrischen Momenten: Sie ist ohne Fehl und Tadel. Ebenfalls hervorzuheben ist die erfreulich gute deutsche Aussprache aller Darsteller. Mit Grauen erinnert man sich an eine Aufführung der "Zauberflöte" vor einigen Jahren in Lüttich, bei der weder die gesungenen noch die gesprochenen Texte zu verstehen waren. Diesmal ist alles klar verständlich und sehr schön artikuliert.
Zum musikalischen Gelingen der Produktion trägt in erheblichem Maße auch Christophe Rousset bei. Der international anerkannte Dirigent spielt seinen Mozart sehr zügig, aber ohne zu hasten. Das Lütticher Opernorchester zeigt sich als ein glänzend disponiertes Mozart-Ensemble.
Bis Samstag ist die "Entführung aus dem Serail" in der Königlichen Oper der Wallonie zu sehen.
Bilder: Jacques Croiser/ORW