Über dreißig Jahre ist "La Clemenza di Tito" von Wolfgang Amadeus Mozart nicht mehr in Brüssel gegeben worden. Warum? 1982 lieferten Karl-Ernst und Ursel Herrmann mit ihrer Regiearbeit eine Inszenierung, die als legendär bezeichnet wird und die sogar den Regisseur der aktuellen Produktion, Ivo Van Hove, damals zur Oper brachte.
Ivo Van hove, das darf man mit Fug und Recht behaupten, ist mit seiner Inszenierung eine Arbeit geglückt, die sowohl ästhetisch als auch inhaltlich begeistert. Er lässt die Handlung in einem Einheitsbühnenbild spielen: Ein modernes Zimmer - es könnte eine Hotelsuite sein - mit Schreibtisch und modulierbarem Bett. Alles ist elegant und gestylt. Hier leben Menschen unserer Zeit, die ihre Emotionen auf sehr nachdrückliche und für jeden nachvollziehbare Art zeigen.
Van Hove ist bekannt für den Einsatz der Videotechnik in seinen Theaterarbeiten, auch in der Oper. Diesmal werden aber keine zusätzlichen externen Informationen projiziert, sondern die handelnden Figuren genügen sich selbst. So sehen wir immer wieder Close Ups der Darsteller oder einen Schwenk durch das Zimmer. Vor allem bei den Dialogen sind dies unglaublich starke Momente, wenn wir das Gesicht des Gesangspartners der jeweiligen Szene genaustens beobachten können.
Das gibt der Musik eine zusätzliche Tiefe. Zum Beispiel wenn die Verzweiflung des Sesto, großartig gesungen von der Mezzosopranistin Anna Bonitabitus, sich in der bildlichen Überblendung des Gesichtes zeigt. Oder schon ganz zu Beginn, die stille Zerrissenheit des Titus während der Ouvertüre. Hier umkreist die Kamera nur sein ruhiges nachdenkliches und doch schmerzergriffenes Gesicht. Aber nicht nur in den Videos, auch in der Personenführung zeigt sich die Kunst Van Hoves. Ihm gelingt ein beeindruckendes Kammerspiel.
Für die dichte Aufführungsfolge ist eine Doppelbesetzung notwendig. Am Premierenabend war Anna Bonitabitus ein großartiger Sesto. Unvergessen bleibt ihre Arie im ersten Akt, bei der sich ein herrlicher Dialog mit der Klarinette ergab. Das war atemberaubend schön. Veronique Gens sang mit großer Überzeugung und Eleganz die Partie der Servilia. Leichte Abstriche, insbesondere in den hohen Lagen muss man bei Kurt Streit in der Titelpartie machen. Er verfügt ohne Zweifel über eine wunderschöne Mozart-Stimme, die in ihrer Klangvielfalt gerade für diesen Titus ideal ist. Vielleicht war es nur eine kleine Schwäche am Premierenabend.
Besondere Erwähnung verdient das Cembalospiel von Luca Oberti bei den zahlreichen Rezitativen und ebenso beeindruckend war wieder die Leistung des gesamten Orchesters unter der Leitung von Ludovic Morlot, der mir schon bei "Cosi fan tutte" zum Ende der vorigen Saison sehr gut gefallen hatte. Auch diesmal lässt er das Orchester der Monnaie, ob nun den einzelnen Pulten oder im Gesamtklang, wunderschön musizieren, Farben gestalten und auch die angemessene Verve erkennen.
Bis zum 26. Oktober steht "La Clemenza di Tito" noch auf dem Programm von La Monnaie.