Boris Giltburg verdanken wir einen ganz außergewöhnlichen Konzertabend beim Finale des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs. Von der ersten Note an schafft er es, die Besucher im Palais des Beaux Arts in seinen Bann zu ziehen. Konzentriert und einfühlsam gestaltete er zunächst die Beethoven-Sonate Nr. 27.
Bisher war es noch keinem der Finalisten gelungen, mit solch einem dynamischen Feingefühl Akzente zu setzen, mit kleinen rhythmischen Entwicklungen und Rubati Spannung zu erzeugen.
Eine hervorragende Interpretation - und dies mit einem kleinen Lächeln, so als ob er in gewissen Momenten sich auch selber ein Vergnügen bereitet. Danach macht er aus dem Pflichtkonzert, wie ich finde, einen echten Psychothriller, ohne je in Effekthascherei zu verfallen. Giltburg fesselt in jeder Sekunde. Und dem abschließenden dritten Klavierkonzert von Rachmaninow gewinnt er alle gewünschten Facetten ab. So geht er das Konzert mit einer stupenden Leichtigkeit an, er erzählt, er berührt.
Boris Giltburg hat sicher auch die Jury beeindruckt können, die Standing Ovations des Publikums waren absolut gerechtfertigt und wir werden den 28-jährigen Israeli auf einem der vorderen Plätze wiederfinden.
Zuvor hatte der Russe Stanislav Krishtenko mit einer atemberaubenden Technik geglänzt. Dem 29-Jährigen schien nichts zu schwer. Auch bei ihm wurde das Pflichtwerk von Michel Petrossian zu einem Krimi, allerdings eher zu einem spannenden Actionfilm denn zu einem Psychodrama. Wenn dies so kohärent durchgezogen wird wie von Krishtenko, dann ist dies mehr als legitim.
Dass dies aber nicht jedem Werk zugute kommen kann, zeigte sich in der Haydn-Sonate. Bei Krishtenko ist zwar technisch immer alles perfekt und manchmal in der Klanggestaltung auch mehr als beeindruckend, aber so wird er nicht unbedingt einer frühen klassischen Sonate gerecht. Das ist der fortissimi und crescendi ein bisschen zuviel.
Souverän ist hingegen in jeder Hinsicht seine Interpretation des ersten Brahms-Konzertes. Er meistert das lange Werk ohne Konzentrationseinbruch, das ist große pianistische Kunst, die unseren Respekt verdient. Allerdings konnte mich die Wiedergabe des gleichen Werks durch den Finnen Roope Gröndahl am Vorabend mehr berühren.
Donnerstag: Yuntian Liu und Andrew Tyson
Am Donnerstagabend ist zunächst der Chinese Yuntian Liu an der Reihe. Aus der kindlichen Klavier-Begleitung der singenden Mutter wurde ein Finalist des Concours Reine Elisabeth. Yuntian Liu spielt unter anderem das berühmte Tschaikowsky- Konzert.
Dann folgt mit dem Amerikaner Andrew Tyson ein Musiker, der in den ersten Runden einen ganz außerordentlichen Eindruck hinterlassen hat. Er ist nicht nur Pianist, sondern auch Komponist. Wir sind gespannt auf Tysons Finalbeitrag, bei dem er eine Mozart-Sonate und das zweite Klavierkonzert von Rachmaninow spielen wird.
Bild: Laurie Dieffembacq (belga)