Leider hat es kein belgischer Pianist in die Runde der letzten zwölf geschafft.
Man hatte damit rechnen können: Weder Stefanie Proot noch Yannick van de Velde haben den Sprung ins Finale des diesjährigen Königin-Elisabeth-Wettbewerbs geschafft. Tatsächlich war der Einzug der beiden Belgier in die zweite Runde schon ein Riesenerfolg. Das Niveau ist, auch wenn dies bei jedem Concours Reine Elisabeth fast gebetsmühlenartig wiederholt wird, in diesem Jahr tatsächlich enorm hoch. Technisch entsprechen alle Kandidaten - aber davon kann man auch ausgehen - den höchsten Ansprüchen, nur diesmal sind einige ganz ausgezeichnete Pianisten mit von der Partie. Musiker, die es verstehen, aus ihren Wettbewerbsbeiträgen wahre Konzerte zu machen.
283 Kandidaten
283 Kandidaten hatten sich in diesem Jahr für den Königin-Elisabeth-Wettbewerb gemeldet. Nach Sichtung der eingereichten DVDs hatte die Jury 75 zugelassen, von denen dann 64 tatsächlich die erste Runde vor nunmehr 3 Wochen in Angriff nahmen. Davon erreichten, wie es seit jeher beim Brüsseler Wettbewerb Tradition ist, 24 das Halbfinale und Samstag vor einer Woche standen dann die Namen der zwölf Finalisten fest.
Drei junge Damen stehen dann neun jungen Herren gegenüber. Der jüngste Finalist, der Franzose Rémi Geniet ist 20, der älteste, der Australier David Fung, 29 Jahre alt. Von den zahlreichen koreanischen Teilnehmern hat es nur Sangyoung Kim ins Finale geschafft. Überhaupt ist Fernost zahlenmäßig nicht mehr so stark vertreten. Ohnehin haben auch die Kandidaten aus Japan, China oder Korea in den USA studiert. Nach Nationen aufgelistet sieht die Aufteilung wie folgt aus: eine Koreanerin, zwei Pianisten aus China, zwei aus Russland, zwei aus den USA sowie jeweils ein Finalist aus Israel, Großbritannien respektive Polen, Frankreich und Finnland.
Jeder der Finalisten muss ein Sonate und Konzert nach Wahl interpretieren, sowie das Pflichtkonzert. Dies ist ja die besondere Herausforderung des Concours Reine Elisabeth. Innerhalb einer Woche müssen die jungen Pianisten dieses aus einem eigenem Kompositions-Wettbewerb hervorgegangene Werk in der Abgeschiedenheit der Chapelle Reine Elisabeth vor den Toren Brüssels in Argenteuil einstudieren.
Jeweils pärchenweise in der Folge ihrer Finalauftritte sind die zwölf Finalisten in die Chapelle eingezogen, haben ihre Gastfamilien, bei denen sie während der ersten beiden Runden untergebracht waren, verlassen müssen. In der Chapelle gibt es nun keine Kontakte mehr nach außen. Fernsehen, Radio, Telefon, ebenso wie Internet oder Handy und alle neueren technischen Kommunikationsmittel sind verboten. Denn kein Kandidat soll mit seinem Lehrer sprechen können.
Natürlich beraten und helfen sich die zwölf Kandidaten untereinander. Am Freitagnachmittag waren alle guter Dinge und keiner schirmt sich vor den anderen ab. Das war noch vor rund 30 Jahren noch anders. Da gab es zwischen Russen, Amerikanern, Asiaten und Europäern manchmal gar keine Kontakte oder Gespräche.
Name des Komponisten bekannt
Seit Freitag kennen wir auch den Namen des Komponisten dieses Pflichtwerks: Es ist der Franzose Michel Petrossian. Der Titel der Komposition lautet „In the Wake of Ea". Petrossian ging bei diesem rund 13-minütigen Stück für Klavier und Orchester von einer babylonischen Schrifttafel aus, die Ea als Gott der Künste und Musen bezeichnet.
Im Gegensatz zu dem einen oder anderen Pflichtkonzert der letzten Jahre ist „In the wake of Ea" ein sehr zugängliches Werk. Dies kann man aus einer ersten Lektüre erkennen. Ein Stück, bei dem der Solist oft mit den Musikern des Orchesters in Dialog tritt - ein Werk, das rhythmisch betont und harmonisch sehr interessant ist. Aber auch schwer, wie Tatiana Chernichka, eine der Kandidatinnen sagte. Sie wird am Montagabend als erste Finalistin an der Reihe sein. Ihr folgt dann die Chinesin Zhuo Zhang. Beide haben übrigens für das berühmte Tschaikowsky-Konzert als Wahlkonzert optiert.
Am Dienstag werden mit dem Franzosen Rémi Geniet und dem Finnen Roope Gröhndal dann die beiden jüngsten an der Reihe sein. Geniet spielt das 3. Rachmaninov-Konzert und Gröhndal das erste Brahms Konzert. Der Mittwochabend verspricht besonders spannend zu werden. Denn sowohl der Russe Stanislav Khrsitenko als auch der Israeli Boris Giltburg hatten beim Halbfinale mit ihren Rezital-Programmen einen sehr starken Eindruck hinterlassen. Und dies obwohl Giltburg ein wenig mit dem Konzertflügel, de jetzt von Flagey nach Bozar transportiert wurde, hadert.
Gibt es einen Favoriten?
Jetzt schon einen Kandidaten zum absoluten Favoriten zu stempeln, scheint bei der wirklich beeindruckenden Qualität fast ein wenig verwegen. Sicher ist da der sehr introvertierte und ebenso intelligente wie feinsinnige Amerikaner Andrew Tyson zu nennen, der übrigens wie manch anderer Finalist auch Komponist ist. Er hat für sein Mozart-Konzert im Halbfinale seine Kadenz selber geschrieben. Oder aber auch Mateusz Borowiak, der als letzter Finalist am Samstagabend dran ist.
Denn tatsächlich hat in der 75jährigen Geschichte des KEW für Klavier einer der beiden Pianisten gewonnen, der am letzten Abend an der Reihe war.
Der BRF wird in dieser Woche in der Klassikzeit am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag alle zwölf Finalisten im Interview vorstellen und auch den Komponisten des Pflichtwerks. Des weiteren kommentieren wir in der Sendung BRF Aktuell die Vorstellungen des Vorabends.
Bild: Laurie Dieffembacq (belga)