Es gehört schon eine gesunde Portion Selbstbewusstsein und die damit einhergehende Überzeugungskraft dazu, eine Saison mit einem vielsprachigen "Nein, Njet, Non, Nee oder No" zu überschreiben. Aber Peter De Caluwe hat dafür seine guten Gründe.
"Es ist ein Nein gegen alles, was versucht, uns klein zu machen. Es ist ein Nein gegen eine Gemeinschaft, wo wir keine Kontrolle mehr haben oder fühlen. Es ist eine Rebellion gegen das Gefühl, dass man uns immer in diesen kleinen Formaten sehen muss. Eigentlich sind wir als Menschen viel stärker, viel größer und vielschichtiger", erklärt De Caluwe.
"Dieses Nein kommt für mich von ganzem Herzen, nicht als Aggression, nicht als Opposition. Es ist ein humanitärer Schrei für die Erkenntnis des Menschen in diesem ganzen großen Zusammenhang, wo wir überhaupt die ganze Kontrolle verloren haben. Und ich glaube, durch Kunst kann man darüber überlegt und nuanciert diskutieren."
Ein Zitat von Albert Camus "La conscience vient au jour avec la révolte" ("Das Gewissen ist aus der Rebellion geboren") dient als roter Faden für die kommende Spielzeit. "Sehr viele Stücke handeln von Individuen, die sich gegen die Mehrheit wehren, von Bevölkerungen, die sich wehren gegen etwas, was sie nicht verstehen und die sich auch politisch engagieren. Es ist eigentlich eine sehr politische Spielzeit."
"Nach einer Spielzeit mit Thema "menschliche Intimität und Schwächen" reden wir jetzt über viel größere Zusammenhänge, und da kommen natürlich Leute wie Mozart oder Gluck, Shakespeare oder Victor Hugo, Giuseppe Verdi oder Wagner klarerweise nach vorne. Im Fokus: das Individuum gegen die Masse und wie man sich als Individuum entwickeln kann. Thema ist aber auch, wie man auch umgeht mit Kritik, wie man leben kann mit Rebellion."
"Ich will keine Rebellion heraufbeschwören. Aber ich verlange, dass die Leute die Chance bekommen, kritisch zu sein, nachdenken zu können und nicht nur den Gesetzen der Mehrheit zu folgen, die sie nicht verstehen. Sie sollen ihre eigenen Wünsche und Ziele erreichen können." Von Mozart wird es in der folgenden Spielzeit "La Clemenza di Tito" geben, von Verdi steht der "Rigoletto" auf dem Programm, dann gibt es einen Verdi-Wagner-Abend, die Gluck-Oper "Orphée et Eurydice" in der Berlioz-Fassung, auch Janaceks "Jenufa" und vieles andere mehr.
Sechs Jahre steht Peter De Caluwe nun dem Haus vor und sein Mandat dauert noch weitere sechs Jahre. Dass hervorragende Arbeit geleistet wird, zeigt sich in der internationalen Resonanz auf die Produktionen, so etwa in der Zuerkennung des Titels "Opernhaus des Jahres 2011". De Caluwe versteht es, spannendes Musiktheater anzubieten, das auch sein Publikum findet.
"Das Brüsseler Publikum ist total offen und tolerant. Es gibt natürlich bei jedem Publikum eine kleine Minderheit, die erwartet, dass Oper eben nur Entertainment ist. Das hat es von mit nicht in den letzten sechs Jahren gegeben und das wird es auch nicht in den kommenden sechs Jahren geben. Aber es gibt ein offenes und neugieriges Publikum, das neue Stücke oder neue Interpretationen entdecken will. Das ist das beste Publikum, was man sich wünschen kann."
So kann man sich auf Inszenierungen von Romeo Castelucci, Olivier Py oder auch Alvis Hermanis freuen, Regisseure, die zu den kreativsten Köpfen der europäischen Theaterszene zu zählen sind. Neben den Opern stehen auch zahlreiche Konzerte, Liederabende und Ballettaufführungen, so etwa von Anne Teresa De Kersmaeker und Sasha Waltz auf dem Programm.
Bild: Bernd Uhlig/La Monnaie