Um es gleich vorweg zu nehmen: Mit "La dispute" ist dem 49-jährigen Benoit Mernier nach seiner Erstlingsoper "Frühlingserwachen" vor sechs Jahren wieder ein großer Wurf geglückt. "La dispute" ist beeindruckendes Musiktheater, in dem der Operngesang ebenso seinen Raum findet wie das Melodrama, das gesprochene Wort und eine von wunderschönen Farben getragene Orchestersprache. Mernier versteht es, für Stimmen zu schreiben und den Instrumenten manch zarte Momente abzugewinnen. Dabei dürfen kleine humorvolle Sequenzen auch nicht fehlen, so dass die knapp zwei Stunden dauernde Aufführung einen durchgehenden Spannungsbogen beibehält.
In "La dispute" geht es um die ewige Frage: Wird zunächst die Frau dem Mann untreu oder doch eher umgekehrt? Hermiane und ein namenloser Prinz stellen die Frage nach Treue und Untreue, nach Liebe und Verrat. Dabei bedienen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes vier junger Menschen, die in der Natur aufgewachsen sind, keinerlei Erfahrungen haben und jetzt das andere und das eigene Geschlecht sowie die erste Liebe entdecken, mit all den Verwirrungen, die dazu gehören. Und es gibt noch eine dritte Ebene, denn alles wird beobachtet von Amor und Cupido -Amor, der das hohe Lied der ewigen Treue singt und Cupido, der dem sinnlichen Verlangen nicht abhold ist.
Ursel und Karl-Ernst Herrmann, denen wir wunderbare Opernabende verdanken - vor allem ihre Mozart-Inszenierungen sind zurecht legendär geworden - haben den Text von Marivaux gemeinsam mit Joël Lauwers mit weiteren Originalzitaten des französischen Dichters des 18. Jahrhunderts angereichert. In der Geschichte schwingt einiges aus "Cosi fan tutte" mit, aber auch die Reality Soaps unserer Tage lassen grüßen.
Es grünt auf der Bühne. Rasen und hohe Hecken bilden den äußeren Rahmen und die Begegnungen unserer jungen, die Liebe entdeckenden Protagonisten spielt in einem nur durch Neonröhren abgegrenzten Kubus. Eine Wendeltreppe genügt, um immer neue Konstellationen unter den vier jungen Menschen hervorzurufen. Tatsächlich erleben wir vier junge sehr gut aufeinander abgestimmte Stimmen, wie Julie Mathevet als Eglé und Albane Carrère als Adine.
Alle weiteren Rollen sind ebenso adäquat besetzt. Vor allem glänzt Dominique Visse als Liebesgott. Dirigent Patrick Davin ist der ideale Anwalt der Musik Merniers und das Orchester der Monnaie versteht es die farbenreiche und sehr einnehmende Tonsprache des Komponisten wiederzugeben. Zurecht gab es nach der Uraufführung lang anhaltenden Beifall für Regie, Sänger und Komponisten. Bis zum 19. März steht "La dispute" auf dem Spielplan der Monnaie.
Bilder: Bernd Uhlig