Fürwahr es ist kein leichtes Unterfangen, eine Oper in dem weiten Rund des Brüsseler Cirque Royal zu inszenieren. Aber der Regisseur Guy Joosten kommt dieser Herausforderung - zum wiederholten Mal - auf grandiose Art nach und versteht es, den Riesenraum fantastisch zu bespielen. Das hat er in den vergangenen Jahren auch schon mit Oedipus Rex, Carmen und Lucia di Lammermoor bewiesen.
Und jedes Mal war die Raumgestaltung im Königlichen Zirkus anders. Diesmal ist die Bühne ein riesiges nach drei Seiten offenes Oval, auf dem die Sänger und Choristen agieren - auch für die Sänger eine besondere Situation. Joosten nutzt sogar die Aufgänge zum Innenraum und die Emporen.
Im Mittelpunkt der Oper steht eindeutig Lucrezia Borgia. Sie ist Mutter, Geliebte, Hure in einem. Das Schicksal will es, dass ihr Sohn Gennaro sich auf der Suche nach der eigenen Mutter unwissend in eben diese verliebt. Aber am Ende der Oper kann auch sie den eigenen Sohn nicht retten.
Die Geschichte spielt in Venedig und Ferrara und in jedem Akt gibt es ein Fest oder einen Ball, und so farbenfroh und lebendig - aber auch grotesk - sind die Kostüme. Die vier Aufgänge zur zentralen Bühne werden von einem gekrönten Totenkopf, einer Madonna, einem bunten Teufel und einer überdimensionierten Frauenbüste überragt. Joosten bringt ein durchgehend spannendes und frivoles Treiben auf die Bühne. Er zeigt, dass Belcanto nicht nur schöner Gesang, sondern zumindest in dieser Oper auch wahres Drama ist.
Gesungen wird auf großartigem Niveau. Der Tenor Charles Castronovo gibt einen optisch wie stimmlich überzeugend schönen Gennaro, Paul Gay ist mit markantem Bass-Bariton ein sehr glaubwürdiger Herzog von Ferrara, Silvia Tro Santafé spielt und singt in der Hosenrolle des Orsini perfekt den temperamentvollen Freund Gennaros und der Star des Abends ist Elena Mosuc als Lucrezia. Sie meistert sämtliche Klippen der Sopranpartie mit einer unvergleichlichen Leichtigkeit und Natürlichkeit.
Das einzige Problem der Produktion ist die Disposition des Orchesters, das zwangsläufig an einer Stelle platziert sein muss. Dadurch ergeben sich kleine akustische Differenzen, je nachdem wo der Zuschauer sitzt. Aber dies tut dem Gesamteindruck keinen Abbruch. Diese Lucrezia Borgia ist in Gesang und Inszenierung ein absolut gelungener Musiktheaterabend und steht noch bis zum 8. März auf dem Spielplan.
Fotos: Clärchen und Matthias Baus