Cavalleria Rusticana und der Bajazzo (Pagliacci): Die beiden Meisterwerke des italienischen Verismo sind die siamesischen Zwillinge der Operngeschichte. Zwei Einakter, die um 1890 geschrieben wurden und aufgrund ihrer relativ kurzen Länge oft im Doppelpack an einem Opernabend gegeben werden. Zumal die beiden Geschichten - es geht jeweils um Liebe, Eifersucht, Verrat und Rache - auch thematisch sich sehr nahe sind, ebenso rein musikalisch die beiden Komponisten Mascagni und Leoncavallo eine ähnliche Tonsprache ihr eigen nennen.
Eines muss man Lüttichs Operndirektor Stefano Mazzonis lassen: Er verfügt über beeindruckende Kontakte in der ganzen Opernszene. Ein Anruf von Mazzonis und viele seiner international gefeierten Freunde machen sich auf den Weg nach Lüttich. So auch, und dies schon zum dritten Mal, der argentinische Startenor José Cura. Nach "Samson et Dalila" und "Carmen" ist er nun für den Verismo-Doppelabend in Lüttich. Cura zeichnet für die Regie und das Bühnenbild verantwortlich und singt auch noch die beiden Titelpartien.
Cura lässt die Handlung in einem Einheitsbühnenbild für beide Einakter spielen. Und zwar im italienischen Viertel seiner Heimatstadt Buenos Aires, in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als seine eigenen Vorfahren hier ankamen. Eins zu eins hat er eine Straße des Viertels nachbauen lassen und dieses Bild ist von einer keineswegs kitschig wirkenden Schönheit. Das war auch das Ziel von Cura.
Und so erzählt er die Geschichten auf realistische Weise, es braucht keinen ideologisch oder philosophisch geprägten Überbau, um die Spannung zu erhalten. Dafür steht schon die Musik, die beim Dirigenten Paolo Arrivabeni in allerbesten Händen ist. Vor allem die Streicher des Lütticher Opernorchesters entfalten unter Arrivabenis Leitung eine Wärme und Intensität, viel Leidenschaft ohne Pathos.
Auf Anregung von Jose Cura ist sogar ein Bandoneon, das argentinische Nationalinstrument, ins musikalische Geschehen eingebunden. So beim berühmten Intermezzo Sinfonico der Cavalleria und als Übergang zwischen den beiden Opern. Denn wie gesagt, die Handlung geht trotz einer Pause nahtlos ineinander über. Kleines Beispiel: Santuzza, die in Cavalleria am Anfang ihrer Schwangerschaft war, ist im Bajazzo einige Monate später hochschwanger.
Es ist nicht verwunderlich, dass Jose Cura gesanglich der Star des Abends ist. Der Tenor verfügt mit seinen fast 50 Jahren (Cura feiert Anfang Dezember den runden Geburtstag) über eine wunderschöne Stimme. Kraftvoll, ohne je überanstrengt zu wirken, klangschön, mit großer persönlicher Farbgebung. Das ihn umgebende Ensemble macht seine Sache im Großen und Ganzen gut. Hervorheben möchte ich in "Cavalleria" Mady Urbain, die als Lucia ihren Bühnenabschied gibt, und im "Bajazzo" Sofia Soloviy als Nedda. Nicht ganz so präzise und überzeugend waren diesmal die Chöre.
Bis zum 2. Dezember stehen Cavalleria und Bajazzo noch auf dem Programm. Alle Vorstellungen sind ausverkauft.
Bilder: Jacques Croisier