Viele Musikliebhaber bezeichnen "Il Trovatore" gerne als "die" Oper schlechthin. Tatsächlich finden sich in dem Meisterwerk von Giuseppe Verdi herrliche Melodien für jeden der Protagonisten sowie eindrucksvolle Chöre.
Aber die Handlung ist so verworren, dass eine Inszenierung manchen Regisseur vor unüberbrückbare Probleme stellt. Ganz anders bei Dmitri Tcherniakov, der in der Brüsseler Oper „La Monnaie“ für eine neue und sehr klar durchdachte Sichtweise verantwortlich zeichnet.
Keine Vorhalle im Schloss des Grafen Luna, kein Zigeunerlager in der Biscaya und auch sonst keine naturalistischen Bühnenbilder, sondern ein Einheitsbild: Ein geschlossener Raum in den Farben rot-schwarz, den die fünf Protagonisten noch vor Erklingen der ersten Note betreten.
Durch die Einblendung der Namen ist gleich klar, mit wem wir es zu tun haben. Da sind zunächst die beiden Brüder: Manrico, der Troubadour, und der Conte di Luna. Da sie schon als Kinder getrennt wurden, wissen sie nicht von ihrer Verwandtschaft. Beide sind in Leonora verliebt und so kann das das Schicksal seinen Lauf nehmen.
Therapiesitzung
Der erste Teil der Inszenierung von Dmitri Tcherniakov kann als eine Therapiesitzung bezeichnet werden. Wie bei einem Flashback führt uns Tcherniakov in die Geschichte ein und macht damit vieles klarer und verständlicher. Selbst dass er die kleineren Partien nicht etwa gestrichen, sondern den Hauptfiguren übertragen hat, sorgt für ein besseres Verständnis.
Azucena, die Zigeunerin, hat sie alle in diesen geschlossenen Raum eingeladen, sie wird so in den Mittelpunkt gerückt, hält vermeintlich die Zügel in der Hand. Alle fünf Darsteller sind ständig auf der Bühne, ob sie nun direkt ins Spiel eingebunden sind oder nicht, denn es geht doch stets um das Schicksal aller Mitwirkenden. Hingegen singt der Chor aus dem Orchestergraben. Und dies ist absolut nachvollziehbar, denn der Chor hat ohnehin eine kommentierende Rolle.
Man spürt, dass Tcherniakov sich viele Jahre mit dem Werk auseinandergesetzt hat. Es war nach seiner eigenen Aussage die erste Oper, die er - übrigens schon mit zwölf Jahren - auswendig kannte. Auch der weitaus handlungsreichere zweite Teil ist von einer stringenten Logik. Hier wird aus dem Psychodrama ein echter Krimi. Graf Luna lässt seinem Liebeswahnsinn freien Lauf und die Aufklärung der Zusammenhänge kann nur in die Katastrophe führen. Alle bis auf Azucena müssen mit dem Leben bezahlen.
Musiker und Sänger
Im Dirigenten Marc Minkowski hat Tcherniakov einen kongenialen Partner. So transparent, so präzise und analytisch hat man diese Verdi-Partitur selten gehört. Dafür braucht es aber auch ein so hervorragendes Orchester wie jenes der Monnaie.
Mit schön geführter Mezzosopran-Stimme singt Sylvie Brunet grandios die Rolle der Azucena, ebenso überzeugend ist der Bariton Scott Hendricks als Conte di Luna. Er singt und spielt die Partie von der ersten bis zur letzten Minute auf atemberaubende Weise. Wie er seine kontrollierte Wut zur zerstörerischen Rage entwickelt, ist große Kunst.
Der Tenor Misha Didyk spielt den zunächst smarten Troubadour Manrico sehr überzeugend, allerdings war er zumindest bei der Premiere stimmlich im wahrsten Sinne des Wortes nicht ganz auf der Höhe. Gleiches gilt für Marina Poplavskaya, die die Leonora mit warmer und klangschöner Mittellage singt, aber in der Höhe etwas gepresst und hart wirkte.
Diese "Trovatore"-Inszenierung ist zum Abschluss der Saison ein weiterer Höhepunkt im Programm der Brüsseler Oper und zeigt abermals, dass „La Monnaie“ zu Recht zum Opernhaus des Jahres gewählt wurde. Bis zum 6. Juli steht "Il Trovatore" auf dem Spielplan.
Hans Reul - Bild: Bernd Uhlig (Monnaie)