Wer hätte vor zehn Jahren auch nur im Traum darauf hoffen können, dass Aachen noch einmal einen solchen Wagner hören würde.
Als Bosch seine Amtszeit am Theater antrat, waren das Orchester und der gesamte Opernbetrieb, man muss es so deutlich sagen, an einem kaum vorstellbaren Tiefpunkt angelangt.
Schon in der ersten Spielzeit zeigte sich, dass mit Marcus Bosch ein wahres Juwel in die Kaiserstadt gekommen war. Mit der Tristan-Premiere konnte Bosch mit seinen Musikern einen weiteren echten Glanzpunkt setzen.
Das Orchester
Gleich in der Ouvertüre werden feinste Klangfarben deutlich, ob nun im zartesten Pianissimo oder in ausladenden Forte-Stellen, immer steht der Klang im Zentrum. Die Musik wird zum Rausch, die einen die unmögliche Liebesgeschichte von Tristan und Isolde nachvollziehen lässt.
Was Marcus Bosch seinen Musikern als gesamter Klangkörper wie auch in den heiklen Solostellen zutrauen kann, zeigt sich am Beispiel des Englisch Horn-Bläsers, der den wiederholten Schalmeienruf im dritten Akt sogar auf der Bühne spielen darf. Dass er gleichwertig mit den Sängern seinen Schlussapplaus entgegennehmen kann, ist mehr als folgerichtig.
Die Sänger
Nur selten hat man in Aachen ein solch stimmlich grandioses Solisten-Ensemble gehört. Aus dem Haus selbst stammen Sanja Radisic als Brangäne und Hrolfur Saemundsson als Tristans selten so sensibel erlebter Freund Kurwenal. Woong-jo Choi kehrte nach Aachen als König Marke zurück und sein Bass ließ nichts an Strahlkraft zu wünschen übrig.
Der Norweger Ivar Gilhuus ist erst vor zwei Wochen für den ursprünglich vorgesehenen Tristan eingesprungen. Vielleicht lag es daran, dass sein Spiel doch recht hölzern wirkte, aber gesanglich - und hier vor allem im langen Monolog des dritten Akts - macht dem Tenor so leicht keiner was vor. Und was soll man über Claudia Iten als Isolde sagen? Einfach grandios, wie sie der Figur Leben einhaucht, ihr eine ungemein starke Persönlichkeit verleiht. Wie sie die Schlussarie des Liebestods singt, ist atemberaubend. Eine solche Isolde in Aachen zu hören, auch dies ist wohl das Verdienst von Marcus Bosch.
Die Inszenierung
Bei all diesem Sänger- und Musikglück kann man fast darüber hinwegsehen, dass die Inszenierung von Ludger Engels kaum neue Erkenntnisse bereit hält. Aber sie stört auch nicht sonderlich. Das Regie-Team musste dann auch die einzigen Buhrufe des Abends einstecken. Ein Abend, der ansonsten nach rund fünf Stunden mit nicht enden wollenden Ovationen für die Sänger und vor allem für Marcus Bosch ausklang. Sein Nachfolger Kazem Abdullah tritt kein leichtes Erbe an. Man kann ihm nur viel Glück wünschen und andererseits Marcus Boschs weitere Karriere aufmerksam verfolgen.
Hans Reul - Bild: Wil van Iersel (Theater Aachen)