Rossini, da denkt jeder gleich an munteres Parlando und heiter beschwingte Melodien. Was für den Rossini-Hit "Der Barbier von Sevilla" gilt, trifft auch auf das wesentlich unbekanntere Jugendwerk "'L'equivoco stravagante" (Das bizarre Missverständnis) zu, das noch bis zum 4. März in Lüttich gegeben wird.
Es ist müßig darüber zu streiten, ob diese Rossini-Oper zu Recht oder zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Die Handlung ist ebenso simpel wie vorhersehbar: Junger Mann ist in junge Frau verliebt, diese ist aber von ihrem Vater einem anderen versprochen worden.
Um die ganze Sache dann doch ein wenig komplizierter zu machen, taucht das Gerücht auf, Ernestina sei ein Kastrat, der als Mädchen angemeldet wurde, damit er (oder sie) nicht zum Militärdienst eingezogen werden könne. Der aufgeblasen vornehme Heiratsaspirant lässt den vermeintlichen Ernesto festnehmen, aber Ende gut, alles gut. Ernesto ist tatsächlich eine Ernestina. Sie und Ermanno werden ein Paar und alle leben froh und glücklich.
Rein musikalisch finden wir alle Zutaten zu einem typischen Rossini. Da wird den Sängern und Musikern einiges an italienischem Tempo abverlangt. Leider kommen einige der Protagonisten dem nur recht schwerfällig nach. Das beginnt schon mit der Ouvertüre, die der Dirigent Jan Schultz nicht mit gewünschtem Verve und Tempo interpretiert. Dies wird sich aber im Laufe des Abends etwas bessern.
Als der Rolle genau entsprechend jungenhaft wirkende Ernestina verfügt Sabina Willeit über eine schöne ausdrucksstarke Stimme, die allerdings in der Höhe recht hart wirkt. Daniele Zanfardino bewältigt die anspruchsvolle Tenorpartie des Ermanno mit bemerkenswerter Sicherheit, auch die beiden belgischen Solisten der Produktion - Julie Bailly als quirlig durchtriebene Dienerin und Laurent Kubla als der gehörnte Buralicchio - sind durchgehend überzeugend.
Über Stefano Mazzonis Vorlieben als Regisseur für vordergründigen Klamauk haben wir an dieser Stelle schon öfters berichtet. Auch diesmal lässt er keinen Gag aus. Sogar ein kleiner Hund darf über die Bühne wirbeln. Oscaraspirant "The Artist" lässt grüßen. Wenn das Hündchen dann bei einem besonders hohen Ton der Ernestina sich so richtig schütteln muss, dann ist dies von herrlich unfreiwilliger Komik.
Sehr schön ist das Bühnenbild anzuschauen: ganz im Jugendstil gehalten, sogar einige Klimt-Gemälde zieren die Rückwand. Auf den Whirlpool, in dem zwei komische Figuren zu Beginn der Oper ein bisschen rumplanschen dürfen, hätte man verzichten können. Aber nein, da müssen am Ende der geschniegelte Buralicchio und der Vater Gamberotto noch rein geworfen werden. Dem Hund und dem Publikum hat's gefallen.
Foto: Jacques Croisier