Vor genau 15 Jahren war es für die damals sehr junge belgische Sopranistin Anne-Catherine Gillet die erste größere Rolle überhaupt in einer Opernproduktion. Sie sang in "Figaros Hochzeit" die Partie der Barbarina. Eine kleine, aber sehr feine Nebenrolle in dieser Komödie um Liebe und eheliche Treue. Jetzt kehrt sie als Susanna auf die Lütticher Bühne zurück - und begeistert.
Anne-Catherine Gillet ist ihren Weg gegangen. Nach den Jahren als Ensemblemitglied an der Königlichen Oper der Wallonie, in denen sie die Möglichkeit hatte, ihre Stimme sich entwickeln zu lassen, feiert sie nun Erfolge in Toulouse, Paris, Genf oder auch Frankfurt. Dass sie eine Sängerin ist, die das Spiel liebt, zeigte sie schon in den Anfangsjahren. Sie versteht es, ihren Figuren Leben einzuhauchen, ganz gleich ob vor einigen Jahren, übrigens auch in einer bemerkenswerten Inszenierung von Philippe Sireuil als Melisande in Debussys Pelleas et Melisande, oder jetzt als quirlige Kammerzofe Susanna in Mozarts Opera buffa.
Und ihre gesangliche Leistung ist ein eben solch großes Vergnügen. Sie merken es, Anne-Catherine Gillet ist der Star dieser Wiederaufnahme im Palais Opera. Aber kann man tatsächlich von einer Wiederaufnahme aus dem Jahre 1996 sprechen?
Philippe Sireuil greift auf einige Bilder seiner damaligen Produktion zurück: So gibt die Bühne, die bis dahin ein Zimmer im Hause des Grafen Almaviva darstellt, im abschließenden vierten Akt den Blick frei auf ein Sonnenblumenfeld. Schon vor 15 Jahren ein Bild, das Poesie und Verwirrspiel gleichermaßen gerecht wurde.
Aber Sireuil scheint diesmal nicht den rechten Zugang zu einer effizienten Personenführung zu finden. Zwischen den einzelnen Protagonisten entwickelt sich kaum gemeinsames Spiel. Ganz zu schweigen vom kleinen Chor, der fast ein wenig verloren herum stand. Das ist verwunderlich bei einem Regisseur, den wir ansonsten gerade wegen der auch schon im Palais Opera gezeigten Beherrschung dieser Kunst erleben konnten.
Der Gesangsleistung tut dies aber keinen Abbruch. Wie wir es in Lüttich mittlerweile gewohnt sind, wird auf hohem Niveau gesungen. Vor allem die Damen des Ensembles sind hervorragend, sei es Cinzia Forte als Gräfin Almaviva oder Jennifer Rivera in der Hosenrolle des Cherubino.
Mit Christian Zacharias konnte ein echter Mozart-Spezialist als Dirigent verpflichtet werden. Seine Interpretationen der Mozart-Klavierkonzerte, in denen er als Pianist und Orchesterleiter begeistert, sind dafür ein eindeutiger Beleg. Schon in den ersten Takten der Ouvertüre setzte er auch mit dem glänzend aufgelegten Lütticher Opernorchester deutliche Akzente: Hier wurde mit Verve, ohne Pathos und sehr transparent musiziert. Dies prägte die Orchesterleistung des ganzen Premierenabends. Allerdings vernachlässigt Zacharias ein wenig das Zusammenspiel mit der Bühne, was zu einigen kleinen Ungenauigkeiten führte. Dies dürfte sich hoffentlich bei den nächsten Vorstellungen verbessern.
Alles in allem ist dieser Figaro ein durch und durch klassischer Opernabend, dessen Besuch sich schon für Anne-Catherine Gillet lohnt. Ihr stehen auch weiterhin alle Türen offen. Bis zum 1. November wird "Le Nozze di Figaro" im Palais Opera gezeigt.
Bild: Jacques Croisier