Es ist eine der meistgespielten Opern des frühen 20. Jahrhunderts. Salome: Die Geschichte der Stieftochter des Herodes, die diesen durch ihren Tanz der sieben Schleier dazu zwingt, ihr den Kopf des Propheten Jochanaan zu schenken. Richard Strauss setzte die literarische Vorlage von Oscar Wilde in betörend schöne Klänge. Und doch klingt diese Lütticher Produktion ganz anders als sonst.
Der Grund: Im Palais Opera ist die von Richard Strauss selbst autorisierte französische Fassung zu sehen und zu hören. Tatsächlich kommt einem dies zunächst sehr fremd vor. Man weiß um die Kraft des deutschsprachigen Librettos.
Schon in den ersten Szenen verleiht das Französische dem Text eine ungewöhnliche Lyrik, die fast schon auf die Musik abzufärben scheint. Dabei fährt die Königliche Oper der Wallonie in Sachen Orchester das ganz große Geschütz auf. Der Orchestervorbau im Palais Opera, der ja an und für sich kein Orchestergraben ist, nimmt bisher noch nicht gesehene Ausmaße an.
Und die Musiker schaffen es in herrlichen Klangfarben, die Sinnlichkeit, aber auch die ganze Dramatik der Partitur auszuleuchten. Für Dirigent Paolo Arrivabeni, dessen großartige Interpretationen des italienischen Repertoires wir an dieser Stelle schon des öfteren loben konnten, ist die Salome die erste Strauss-Oper überhaupt. Mit Sinn für Tempo, Farben und Dynamik erweist er sich hier gleich als ein ebenso versierter musikalischer Leiter. Man spürt auch den Musikern an, dass sie das alles andere als einfache Werk grundsolide vorbereitet haben und allen Ansprüchen gerecht werden.
Die Inszenierung ist in einem eher minimalistischen Bühnenbild auf das Wesentliche reduziert. Kein überflüssiger Schnickschnack lenkt vom Geschehen ab. Man schaut auf eine fast leere Bühne, deren Mittelpunkt der Brunnen ist, in dem Jochanaan gefangen ist und der sich beim Öffnen in ein symbolisches gleißendes Licht verwandelt. Die Schleier spielen - zugegeben - beim berühmten Tanz der sieben Schleier eine wichtige Rolle, aber die Regisseurin Marguerite Borie setzt die Schleier auch als Schlinge für die Selbsttötung des Narraboth oder, natürlich in roter Farbe, als Blutlache ein. Vielleicht ist dies der Symbolik ein wenig zu viel.
Unter den Sängern können vor allem Vincent Le Texier als stimmgewaltiger Jochanaan und June Anderson in der Titelpartie überzeugen. Wobei sie zu Beginn der Premierenvorstellung Anlass zur Sorge geben konnte: Sie schaffte es in den ersten Szenen kaum, sich gegen das keineswegs zu laute Orchester durchzusetzen. Umso bewundernswerter der Schlussmonolog, den sie grandios meisterte.
Bis zum 18. Juni steht Salome noch vier Mal auf dem Programm der Königlichen Oper der Wallonie.
Bild: Opera Royal de Wallonie