Wenn man den Palais Opera betritt und den Blick Richtung Bühne wendet, dann weiß man gleich, was einen bei diesem Otello erwartet: Eine Aufführung in Breitbildformat und Dolby Surround, um einen Vergleich zum Kino anzuwenden.
Verdi verlangt einen riesigen Orchesterapparat und die Bühne ist von einer beeindruckenden Größe. Dies aus gutem Grund, denn gleich zum Auftakt der Oper heißt ein sehr groß besetzter Chor den Feldherrn Otello, der von einer siegreichen Schlacht zurückkehrt, willkommen.
Chordirektor Marcel Seminara hat auch diesmal ganze Arbeit geleistet: Die Entwicklung des Lütticher Openchores, unterstützt durch die Sänger des Chorzentrums von Namür, ist mehr als bemerkenswert. Stimmgewaltig und präzise präsentiert sich der Chor während des ganzen Abends.
Noch beeindruckender ist die Leistung des Orchesters. Chefdirigent Paolo Arrivabeni stellt wieder einmal unter Beweis, dass er ein phantastischer Verdi-Dirigent ist und nicht ohne Grund in den bedeutendsten Opernhäusern Europas und darüber hinaus regelmäßig zu Gast ist. Arrivabeni lässt uns sowohl die triumphalen Momente als auch die Tiefen und Abgründe der Gefühle nachvollziehen. Kraft und Transparenz sind miteinander gepaart, sodass auch die Sänger nie überdeckt werden.
Die Titelrolle des Otello gehört zu den anspruchsvollsten des gesamten Repertoires. Man kann sich manchmal fragen, was Verdi gegen Tenöre hatte, dass er ihnen immer wieder solch schwierige Partien komponierte. Auch Fabio Armiliato hatte in den beiden ersten Akten mit den unglaublichen Höhen ein wenig zu kämpfen. Aber abgesehen davon gab er einen sehr überzeugenden Otello, vor allem im zweiten Teil des Abends war er hervorragend.
Das gilt durchgehend für Giovanni Meoni: Er verfügt über eine wunderschöne Baritonstimme und lässt uns die Verlogenheit des Iago eindrucksvoll nachempfinden. Daniella Dessi konnte als Desdemona bei ihrem bewegenden Abendgebet im vierten Akt glänzen, allerdings verfügt sie nach meinem Empfinden über ein etwas breites Vibrato, das nicht immer klangschön ist.
Stefano Mazzonis, Direkor der Königlichen Oper der Walonie zeichnet, wie so oft in dieser Spielzeit, für die Inszenierung verantwortlich. Er liebt das große Spektakel und die zahlreichen Massenszenen sind ihm auch gut gelungen. Allerdings lässt er in den kammerspielähnlichen Momenten jegliche Personenführung vermissen. Außerdem sind einige Regieeinfälle nur schwer nachvollziehbar oder schlichtweg überflüssig: Gleich zum Auftakt wird Otellos wilde Seefahrt mit einem Holzschiff in einem Aquarium nachgestellt, in das danach eine ganze Goldfischschar geschüttet wird. Oder warum werden immer wieder die Protagonisten auf einem kleinen Podest hin und hergeschoben? So überzeugt dieser Lütticher Otello in erster Linie durch die Stimmen von Chor und Solisten sowie das Orchester.
Alle Vorstellungen bis zum 3. Mai sind restlos ausverkauft. Allerdings können ist diese Produktion am 7. Mai bei einem Gastspiel im Theater Heerlen zu sehen.
Bild: Jacques Croisier