Es ist eine aufgeheizte Stimmung zu spüren. Die Lage ist angespannt, obwohl das größte Musikspektakel der Welt für eine gelöste Atmosphäre bekannt ist. Rund 100.000 Besucher werden zu den beiden Halbfinals am 7. und 9. Mai sowie dem Finale am 11. Mai in der südschwedischen Industriestadt erwartet, die auch zum Partymachen alljährlich zum ESC pilgern. Sosehr der Song Contest Jahr für Jahr betont, ein "unpolitisches Event" zu sein - in diesem Jahr lässt sich der Schatten des Gaza-Kriegs vom bunten Show-Spektakel nicht fernhalten.
"Malmö wird in der nächsten Woche der Brennpunkt Europas sein", sagt Christer Mattsson, Professor für Antisemitismusforschung in Göteborg, der Deutschen Presse-Agentur. In dieser krisenreichen Zeit schaut die Welt bei den Halbfinals und erst recht beim Finale des Wettbewerbs auf Malmö. Israels Beitrag hatte diesmal von Anfang an mit Gegenwind zu kämpfen. Aufgrund des Gaza-Kriegs wurde von vielen Seiten der Ausschluss des Landes von dem Wettbewerb gefordert. Der Veranstalter des ESC, die europäische Rundfunkunion (EBU), ließ Israel mit der Begründung teilnehmen, dass es eine unpolitische Veranstaltung sei.
Gleichzeitig hielt die EBU den ersten eingereichten Text des israelischen Beitrags für zu politisch. Sie sah in "October Rain" Hinweise auf die von palästinensischen Terroristen am 7. Oktober in Israel verübten Massaker. Das Lied der israelischen Sängerin Eden Golan wurde daraufhin überarbeitet, heißt nun "Hurricane" und wurde zugelassen. Israelische Medien beschreiben Edens Kleid als ein Outfit, das an Wundverbände erinnert.
Israels Nationaler Sicherheitsrat (NSC) verschärfte kurz vor dem ESC eine Reisewarnung. Das Risiko werde von zwei (potenzielle Bedrohung) auf drei (mittlere Bedrohung) heraufgestuft. Israelis, die einen Besuch in Malmö planten, lege man nahe, dies noch einmal zu überdenken. Die Warnung gelte für die Zeit vom 7. bis 11. Mai. Malmö habe ein Problem mit Antisemitismus, sagen Experten. Nach dem Ausbruch des Krieges in Israel und Gaza im Oktober wurde dieses Problem noch einmal sichtbarer.
Rund um das Eurovision Village und das Euro Fancafé gibt es eine Vielzahl von palästinensischen Fahnen, an Fenstern und Balkonen. Es hat zahlreiche Demonstrationen gegen Israel gegeben. Am Tag des Grand-Prix-Finales selbst sind ebenfalls Demos angekündigt - darunter sowohl propalästinensische als auch proisraelische Demonstrationen. Tausende Teilnehmer werden erwartet.
Die Polizei kündigte an, mit einem Großaufgebot in der Stadt präsent zu sein. Auch Verstärkung aus Dänemark und Norwegen wurde angefordert. Eine öffentliche ESC-Party wurde abgesagt. „Ich weiß mit Sicherheit, dass die Stadt gut vorbereitet ist. Allerdings weiß man, dass es immer etwas Unerwartetes geben kann“, sagt Experte Mattsson. Was in der aktuellen Lage nicht so recht aufkommen will, ist wohl die Vorfreude. Der Eurovision Song Contest sollte ein Fest der Kreativität, des Spaßes, der großartigen Musik sein.
Biggi Müller