In den vergangenen drei Wochen sind die belgischen Klassikfans wahrlich auf ihre Kosten gekommen: 166 junge Cellistinnen und Cellisten aus aller Welt haben ihr Bestes gegeben, um das Finale eines der schwierigsten Solistenwettbewerbe der Welt zu erreichen. Und die Leistungen waren im Generellen hervorragend, mit einigen absoluten Highlights bereits in der Vorrunde und im Halbfinale.
Die international besetzte Jury des "Concours Reine Elisabeth" war wahrlich nicht zu beneiden, denn aus dieser großen Anzahl an talentierten jungen Musikern musste sie ganze zwölf auswählen, die in dieser Woche um den Sieg bei dem Brüsseler Wettbewerb kämpfen werden. Und was uns Belgier ganz besonders freuen dürfte: Auch Stéphanie Huang, die einzige belgische Kandidatin bei der diesjährigen Ausgabe des Wettbewerbs, hat es bis ins Finale geschafft. Das hat sie unter anderem einer hervorragenden Leistung im Halbfinale zu verdanken, bei dem sie eine strahlende Interpretation von Joseph Haydns zweitem Cello-Konzert ablieferte.
Mit dem Einzug ins Finale tut Stéphanie Huang es ihrer älteren Schwester Sylvia gleich, die vor drei Jahren beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb für Violine ebenfalls die letzte Runde erreichte und dort zwar nicht unter den ersten sechs Preisträgern landete, aber dennoch mit ihrer Leistung mehr als überzeugte und schließlich die beiden Publikumspreise gewann.
A propos Preise: Nicht nur das Ansehen als Gewinner des Brüsseler Wettbewerbs ist enorm, auch das Preisgeld ist nicht von der Hand zu weisen: Der Sieger erhält aus den Händen der belgischen Königin Mathilde das stattliche Preisgeld von 25.000 Euro, und die Kandidaten auf den Plätzen zwei bis sechs erhalten immerhin noch eine Summe zwischen 20.000 und 8.000 Euro, die von einer belgischen Adelsfamilie und den verschiedenen Regierungen des Landes gestiftet wird.
Zwölf junge Cellistinnen und Cellisten wetteifern nun also in dieser Woche um den Titel - drei junge Damen und neun Männer. Und während vor fünf Jahren, bei der ersten Ausgabe des Königin Elisabeth-Wettbewerbs für Cello, noch insgesamt vier Franzosen unter den letzten zwölf waren, unter anderem der spätere Sieger Victor Julien-Laferrière, so hat es in diesem Jahr kein einziger der französischen Kandidaten bis ins Finale geschafft. Stattdessen beherrscht Südkorea mit vier Finalisten den Wettbewerb, und fast alle übrigen Finalisten stammen aus eher kleinen Nationen, wie etwa Österreich, Estland, Serbien, der Schweiz, Kanada, China, der Ukraine - und eben Belgien.
In diesem Finale treten alle Kandidaten in Begleitung des Brussels Philharmonic unter der Leitung von dessen ausscheidendem Chefdirigenten Stéphane Denève auf. Auf dem Programm steht jeweils neben einem Cello-Konzert nach Wahl auch ein Pflichtwerk, eine neue Komposition des Deutschen Jörg Widmann; die Noten von diesem bisher unveröffentlichten Werk haben die Kandidaten erst genau sieben Tage vor ihrem Finalauftritt erhalten, und während dieser einen Woche bereiten sie sich in der Abgeschiedenheit der Chapelle Musicale Reine Elisabeth in Waterloo auf ihren Auftritt vor.
Die Welterstaufführung des Pflichtwerks findet also am Montagabend um 20 Uhr im Bozar in Brüssel statt, wenn der Koreaner Taeguk Mun als erster Finalist versuchen wird, Jury und Publikum zu überzeugen. Am Dienstagabend kommt dann die Stunde der Wahrheit für Stéphanie Huang; sie präsentiert uns neben dem Pflichtwerk von Widmann als Wahlwerk eines der bekanntesten Cello-Konzerte überhaupt, das 2. Konzert von Antonín Dvořák.
Am kommenden Samstag schließlich, nach dem Finalauftritt von Yibai Chen aus China, wird die Jury gegen Mitternacht bekannt geben, wer nach Victor Julien-Laferrière als zweiter Cellist überhaupt als Sieger in die Geschichte des "Concours Reine Elisabeth" eingehen wird. Unsere Landsfrau Stéphanie Huang zählt zwar nicht zu den absoluten Favoriten, aber wer weiß, Überraschungen gibt es auch bei internationalen Musik-Wettbewerben immer wieder.
Patrick Lemmens