Während Tschaikowskys Eugen Onegin und Pique Dame regelmäßig auf den Spielplänen der Opernhäuser auftauchen, zählt Mazeppa eher zu den Repertoireraritäten. Ein Grund dafür dürfte die Handlung sein, die gewiss in Russland und später in der Sowjetunion nicht immer für Begeisterung sorgte, ein anderer die doch außerordentlichen gesanglichen Herausforderungen, die das Werk an zahlreiche Solisten stellt.
Mazeppa ist ein ukrainischer Kosakenhauptmann, der von einer unabhängigen Ukraine träumt. Tschaikowsky hat aber nicht nur eine Politoper geschrieben, sondern das Ganze mit einer privaten Geschichte verschmolzen. Mazeppa sucht bei seinem Unabhängigkeitskampf Unterstützung bei seinem Freund Kotschubej, in dessen Tochter Maria er verliebt ist, die auch sein Patenkind ist. Sie erwidert Mazeppas Gefühle, aber ihr Vater ist entschieden gegen die Beziehung.
Dennoch verlässt Maria für Mazeppa ihr Elternhaus, worauf Kotschubej Mazeppa beim russischen Zaren verrät. Der hat den Anschuldigungen aber nicht geglaubt und Kotschubej an Mazeppa ausgeliefert. Dieser lässt ihn foltern und sogar töten. Maria wusste von alledem nichts. Ihr Versuch, den Vater zu retten, kommt zu spät. Aber für alle endet die Geschichte tragisch: Mazeppas Truppen werden von den Russen geschlagen. Letztendlich wird Mazeppa alles verlieren: sein Land, seinen Einfluss und auch seine große Liebe Maria.
Diese Oper bietet alles: Momente brutaler Folter, andererseits aber auch intime Szenen, die sehr anrührend sind. Regisseurin Ewa Theilmans lässt die Handlung in einem einheitlichen neutralen Bühnenbild spielen. Auch die Lichtregie ist zumindest verhalten zu nennen. Nur im dritten Akt, auf dem verwüsteten Anwesen Kobutschejs, bricht sie das Bild und die Szenerie wird realistischer. Sonst genügen einige wenige Requisiten. Das ist auch gut so.
Allerdings schafft Teilmans es nicht, in der Personenführung die Intensität der Begegnungen darzustellen. Da konnte ihre Kollegin Tatjana Gürbaca in der flämischen Oper schon stärkere Akzente setzen und spannenderes Musiktheater liefern. Allzu oft stehen die Protagonisten nur hilflos einander gegenüber oder wandern um ein Bett herum. Da muss die Musik und der Gesang für Dramatik oder Lyrik sorgen. Und dies gelingt in vielen Momenten.
Das Orchester schenkt unter der engagierten Leitung von Marcus Bosch der Tschaikowsky-Partitur die notwendigen Klangfarben. Dies zeigt sich sowohl in der Sängerbegleitung als auch in den Orchesterzwischenspielen wie etwa der Schlacht von Poltawa, die mit Verve und herrlichen Klangfarben dargeboten wird. Leidenschaft, Aggressivität und dann wieder Zärtlichkeit waren da. Allerdings dürfen einige kleine Schwächen bei den Bläsersoli, vor allem in der Ouvertüre nicht verschwiegen werden. Hervorragend hatte auch Andreas Knippert den Chor vorbereitet.
Bei den Solisten gilt es drei Künstler hervorzuheben: zunächst Wieland Satter in der Titelpartie. Er singt den Mazeppa mit großer Strahlkraft, ohne je zu forcieren. Das gleiche gilt für Randall Jakobsh als Kobutschej. Er verstand es auch darstellerisch zu überzeugen, man nahm ihm Wut oder Verzweiflung in jeder Szene ab. Ebenso glänzte Irina Popova als zarte und zerbrechliche Marie. Beim Tenor Yikun Chung als Maries Jugendliebe Andrej waren am Premierenabend noch einige kleine Unsicherheiten zu hören. Überhaupt denke ich, dass diese Produktion in ihrer Gesamtheit bei den nächsten Aufführungen nur wachsen kann.
In diesem Monat steht Mazeppa noch zweimal auf dem Programm des Theaters Aachen, am 10. und 18. Dezember, sowie in den Monaten Januar bis April.
Bild: Carl Brunn für Theater Aachen