Eine Hörbar kann ein Café, eine Brasserie oder ein Restaurant sein. Sie fügt aber etwas hinzu, was man kaum irgendwo findet: handverlesene Musik. Die DJs in diesen Hörbars haben den gleichen Stellenwert wie Köche und Sommeliers. Manchmal macht man sich sogar Gedanken darüber, welche Schallplatte am besten zu welchem Wein passt.
Meistens kommt die Musik von der Vinylplatte, weil der Klang nicht durch Kompressionstechniken verzerrt werden soll, und aus einer Musikanlage, die auch hochwertiger ist. Eine laute und dampfende Espressomaschine sollte das Hörvergnügen nicht trüben. Und der Lärm der Stadt sollte natürlich auch draußen bleiben.
Der Trend ist schon seit einigen Jahren in Großstädten zu beobachten. Aber wenn man die Wurzeln dieser Hörkneipen finden möchte, muss man nach Japan reisen. Dort haben die Hörbars sogar einen eigenen Namen: "Kissa". In dem oft lauten, wuseligen und dichtbevölkerten Land versammeln sich die Menschen in einer Kissa, um sehr still Jazz zu hören.
Jazz-Kissas haben in Japan seit fast hundert Jahren Tradition. Sie sind lange Zeit ein Geheimtipp für Liebhaber geblieben. Im neuen Jahrhundert folgten dann aber Städte wie New York, Los Angeles, London und Paris. In Frankreich schießen sie mittlerweile sogar wie Pilze aus dem Boden.
Das Gute ist, dass man das Konzept an die Umgebung anpassen kann. Jazz passt gut nach Tokio, wo Stille ein kostbares Gut ist. In Spanien lieben die Menschen eine gute Diskussion. In Belgien mag man Geselligkeit und gutes Essen. Jede Hörbar kann ihre Eigenheiten entwickeln. In der Hörbar "Mancuso" in Bordeaux werden Musikstücke zum Beispiel grundsätzlich bis zur letzten Note gespielt, weil man den Musikern so alle Ehre erweisen möchte.
In der Brüsseler Hörbar "l'Altitude", in der man auch speisen kann, empfängt der Chef Thomas Mamakis regelmäßig Gast-DJs, die mit Musik eine Geschichte erzählen. Die Musik wird ihm selber aber bestimmt nicht ausgehen. Er hat angeblich 5.000 Vinylplatten zu Hause. Für die flämischen Zeitung De Standard hat er sich selbst so beschrieben: "Seit ich fünfzehn bin, kaufe ich Vinyl, vor allem Jazz. Ich rauche nicht, ich trinke nicht und ich spiele nicht. Musik ist meine einzige Sucht. Und hier möchte ich Musik präsentieren, die man sonst nirgendwo hört".
Wem das noch zu jazzlastig klingt, der muss vielleicht etwas weiter suchen. Interessant hört sich da das Konzept des Pariser Restaurants "Le Trou Normand" in der Nähe des Canal Saint-Martin an. An Samstagabenden lautet der Slogan des Hauses "Vorspeise, Hauptgericht, Disco". Dann wird Disco-Musik aus allen Epochen und Ecken der Welt gespielt - und manchmal werden die Stühle nach draußen getragen, damit mehr Platz zum Tanzen ist.
destandaard/mz