Mozarts Zauberflöte ist eine wahre Wundertüte. Herrliche Arien folgen im Minutentakt, die Geschichte lässt sich mit philosophischem Tiefgang, als reine Märchenoper oder als Parabel der Freimaurerei deuten. Mit der Zauberflöte ist fast alles möglich.
Und der Ansatz der beiden sehr jungen französischen Regisseure Julien Lubek und Cecile Roussat ist zwar nicht ganz neu, aber in der konsequenten Durchführung absolut glaubwürdig und im großen und ganzen logisch: Sie erzählen die Geschichte als eine Art Alptraum des Tamino, der zu den Klängen der Ouvertüre in seinem Bett von der Schlange angegriffen wird, die ja zum Ausgangspunkt der nachfolgenden und bestens bekannten Handlung wird.
Gleich in dieser ersten Szene bevölkern akrobatische Traumfiguren die Bühne, überhaupt spielen Akrobaten bis hin zu einem Seiltänzer eine oft präsente Rolle, die das Märchenhafte der Inszenierung in sehr schönen Bildern unterstreichen. Von Zauberhand geführt, bewegen sich Bett, Schrank und Stühle. Das ist zum einen sehr schön anzusehen und zum anderen auch von einer durchdachten Konsequenz. Auch den Kostümen spürt man die Phantasie des jungen Produktionsteams an. Das spielerisch Leichte steht im Vordergrund.
Sicher ist noch nicht alles perfekt. So erinnerten die drei Knaben in ihren gestreiften Pyjamas an Kleiderbügeln in einem Schrank hängend weniger an kleine Kopien des Tamino, als vielmehr an dunkle Kapitel der Geschichte des vorigen Jahrhunderts. Aber dies ist ein Detail - wohl eine Unachtsamkeit in einer ansonsten durchweg gelungenen Inszenierung.
Wunderschön zum Beispiel: die Bücherwelt des Sarastro, sei es als Bibliothek oder überdimensioniertes Nachschlagewerk als Symbol für Weisheit und Klugheit, die Tamino und Papageno erlangen sollen, oder die Kostüme der drei Damen, die an ägyptische Stelen erinnern.
Der Dirigent Patrick Davin überraschte gleich in der Ouvertüre mit einer sehr zügigen fast schnellen Tempowahl, die den sentimentalen Momenten etwas wenig Raum und Zeit ließ. Dadurch wurde andererseits jedes Umkippen in eine allzu gefühlige Spielweise unterbunden. Bemerkenswert gut waren die Interventionen der Chöre, die wohl aus Platzgründen an den Seiten des Orchesters standen.
Lüttichs Operndirektor Stefano Mazzonis hat ja bisher in der Verpflichtung der Solisten stets eine gute Hand gezeigt. Diesmal war dies leider nicht der Fall. Lediglich Clémence Tilquin konnte in der zugegeben nicht allzu großen Rolle der Pamina absolut überzeugen. Alle anderen Protagonisten zeigten den ganzen Abend über kleine oder gar größere Schwächen, ganz zu schweigen von einer wenig überzeugenden Diktion. Vielleicht hätte man diesmal besser im deutschen Sprachraum nach Sängern und Sängerinnen gesucht.
So wird diese Zauberflöte zu einem großen Vergnügen für das Auge, da gibt es keinen Moment der Langeweile und man kann nur hoffen, dass Julien Lubek und Cecile Roussat nach ihrem Operndebüt dem Musiktheater treu bleiben. Von den beiden jungen Künstlern, die übrigens aus der Schule des legendären Marcel Marceau kommen, kann man noch einiges erwarten.
Bis nächste Woche Dienstag steht die Zauberflöte noch auf dem Programm im Palais Opera in Lüttich.
Fotos: Jacques Croisier