Von Monteverdi über Schubert und Richard Strauss bis zu Countryklängen und Reggaerhythmen. So vielseitig bunt ist die Zauberschatulle, aus der der 40jährige Komponist Anno Schreier die Zutaten seiner neuesten Oper wählt. Das ist mehr als angemessen und keineswegs beliebig. Denn Schreier wollte mit seinem Librettisten Alexander Jansen eine Familienoper schreiben, und das ist ihnen ohne jeden Zweifel geglückt.
So wird die Geschichte der kleinen zauberhaften Dorothy, die mit ihren Freunden den Zauberer von Oz sucht, und die die böse Hexe in eine weise Frau verwandeln - im Gegensatz zum Originalmärchen, in dem die Hexe am Ende stirbt - von drei geflügelten Affen eingerahmt, die im Stile des Barocks singen.
Wenn der Wind zum Sturm anhebt, wird ebenso treffend wie originell der "Erlkönig" von Schubert zitiert. Der Zauberer von Oz wird sowohl von Straussens "Zarathustra" als auch von Mozarts "Zauberflöte" mit Sarastro-Anklängen eingeführt.
Das sorgt immer wieder für Aha-Effekte, über die man schmunzeln muss. Und wenn man die Anspielungen nicht erkennen sollte, dann ist dies auch nicht schlimm, denn die Handlung und die Musik verfügen über einen mitreißenden Drive. Und mit dem Straßenlied, das unsere Freunde zum Schloss des Zauberers führt, ist Schreier sogar ein Hit im Stile eines Andrew-Lloyd-Webber-Songs gelungen.
Aachens Generalmusikdirektor Christopher Ward lässt denn auch sein Orchester spielfreudig an die Partitur herangehen, ohne dabei jemals die Sänger zu überdecken. Kompliment! Und die Sänger selbst geben dem Affen Zucker, und man spürt bei allen den Spaß am Spiel.
Sei es Patricio Arroyo als eine amüsant tölpelhafte Vogelscheuche oder Fabio Lesuisse als wild umherspringender Löwe, der doch so gerne mutig wäre. Hyunhan Hwang ist der Blechmann. Eine besondere Anerkennung verdient Lisa Ströckens, die innerhalb einer Woche die Rolle der Dorothy einstudieren musste, da Anne-Aurore Cochet, die für die Premiere als Dorothy vorgesehen war, sich bei den Proben so arg verletzte, dass sie ersetzt werden musste.
Bei allem vordergründigen Spaß, erhält dieser "Zauberer von Oz" aber auch auf fein subtile Art eine gesellschaftspolitische Note. Der Zauberer ist ein totalitärer Herrscher, der die Angst als sein Machtmittel nutzt, und dies lässt Schreier auch in der Musik heraushören. Aber letztendlich siegt die Freundschaft und die Macht des Lachens.
Nicht zuletzt dank einer sehr klugen Regiearbeit von Ute M. Engelhardt, die genau die Balance zwischen Witz und Ernsthaftigkeit hält und dank der adäquaten Kostüme, die von Jeannine Cleemen entworfen wurden, ist es eine rundum gelungene Produktion, die ein Publikum von acht bis über 80 Jahren begeistern kann.
Bis Ende Dezember stehen noch vier Aufführungstermine an und weiter geht es mit dem "Zauberer von Oz" in 2020 bis zum 12. März.
Hans Reul