Mit "Reigen", "Wintermärchen" und "Julie" hat Philippe Boesmans in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen, wie phantastisch er zum einen für Stimmen komponiert und zum anderen einer literarischen Vorlage eine persönliche musikalische Weiterentwicklung zu verleihen versteht. Dies setzt er mit "Yvonne, Princesse de Bourgogne" nach dem gleichnamigen Theaterstück des polnischen Autors Witold Gombrowicz fort.
Das Stück ist sowohl eine groteske Komödie als auch ein unglaublich melancholisches Werk. Philippe, der Prinz von Burgund ist das problemlose Leben am Hofe satt. Gelangweilt von der Routine entscheidet er sich für eine alles andere als hübsche Frau als Braut, eben Yvonne. Sie wirkt mit ihrer nahezu autistischen Veranlagung wie ein Fremdkörper. Aber Philippe gefällt es, die Eltern und den Hofstaat zu schockieren, denn Yvonne verweigert sich der Etikette, schafft es z.B. in einer der komischsten Szenen der Oper sogar, dass König und Königin vor ihr den Hofknicks machen und nicht umgekehrt.
Aber bald muss Philippe feststellen, dass Yvonne sich ihn verliebt hat. Das geht zu weit. Nun soll Yvonne verschwinden. Und da wählt man die radikalste Lösung: Yvonne stirbt nach exzessivem Fischverzehr an einer Gräte. Voller Zynismus stimmt die ach so feine Gesellschaft daraufhin das Lacrimosa an. Das Verlogene und Amoralische wird überdeutlich.
Boesmans hat zum Libretto des Regisseurs Luc Bondy eine jede Szene genau charakterisierende Musik geschrieben. Wie es seine Art ist, finden wir immer wieder musikalische Anspielungen: In den ersten beiden Akten wird man mehrmals an Richard Strauss erinnert, aber auch Massenet schimmert durch und selbst Jacques Offenbach wird wunderbar parodiert. Später grüßt die Barockära, aber und das ist das Geniale: Es sind keine Zitate, es ist immer Boesmans pur. Bei aller Komplexität der Partitur bleibt seine Musik verständlich und jedem zugänglich. Tatsächlich versteht man fast jedes Wort, was bei einer Oper - und nicht nur bei der zeitgenössischen Oper - eher selten ist.
Dazu trägt auch die hervorragende Besetzung bei: Mireille Delunsch als Königin, Paul Gay als König und der Tenor Marcel Reijans als Philippe. Yvonne ist eine bis auf einige wenige Worte stumme Rolle, die eindrucksvoll von der deutschen Schauspielerin Dörte Lysseswski gespielt wird: Sie ist sicher nicht so hässlich, wie es das Buch von Gombrowicz verlangt, aber sie wirkt so verloren, ausgestoßen und verletzlich, dass man von der ersten Minute an Sympathie für sie empfindet.
Dank eines kargen Bühnenbildes gewinnt die Produktion noch an Intensität, die aber schon im Orchestergraben auf grandiose Art aufgebaut wird. Das ist dem jeder Szene angemessenen Dirigat von Patrick Davin und den solistischen Fähigkeiten der Musiker der Monnaie zu verdanken, die auch im Ensemble jede Gefühlsregung der Bühne aus dem Graben nachzeichnen oder sogar vorgeben.
Bis zum 21. September steht Yvonne noch auf dem Spielplan der Monnaie. Es ist ein weiterer Glanzpunkt in der Karriere des Opernkomponisten Philippe Boesmans.
bild: Maarten Van den Abeele