"Wage, zu träumen" - das Motto des 64. ESC ist mehrdeutig, wichtig wäre, auch den Traum von Frieden in dem von Krisen geschüttelten Land endlich Wirklichkeit werden zu lassen. Und in der Tat: Lange habe ich gezögert, in diesem Jahr überhaupt zum Eurovision Song Contest nach Israel zu fahren. Die Frage nach der Sicherheit hat mich sehr beschäftigt und im Geheimen habe ich gehofft, dass die Europäische Broadcasting Union (EBU) den Wettbewerb doch noch in ein anderes Land verlegen wird.
Aber wie geplant hat sich der ESC-Tross in den nahen Osten aufgemacht und ich habe mich einfach drangehängt, frei nach dem Kölner Motto: "Et kütt, wie et kütt" (Es kommt, wie es kommt) und "Et hätt noch immer jot jejange" (Es ist noch immer gut gegangen). Wenn jetzt aber, neun Tage vor dem ersten Halbfinale am 14. Mai, die Drohung von Anschlägen auf den ESC aus dem Gaza-Streifen kommt und Tote und Verletzte bei Anschlägen nur 60 Kilometer entfernt zu beklagen sind ... Ach was - ich lasse mich nicht einschüchtern!
Wenn man an einem Samstagmorgen um 5 Uhr auf dem Flughafen Ben Gurion ankommt, ist alles wie ausgestorben. Der Flugbetrieb läuft, aber öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht, die Geschäfte sind geschlossen. Das öffentliche Leben liegt lahm. Es ist Sabbat, das heißt: Ruhepause von Freitagabend Sonnenuntergang bis Samstagabend zum Einbruch der Dunkelheit. Manch einer hatte gedacht, dass wegen des jüdischen Wochenendes die Proben und die TV-Ausstrahlung gefährdet seien, aber hier macht man dann wohl eine Ausnahme. Im Gegensatz zu mir hat es mein Gepäck nicht bis Tel Aviv geschafft. Und wegen des Sabbats hat sich auch nicht wirklich jemand darum gekümmert.
Der ESC-Betrieb läuft indes wie immer. Ist man erst einmal im Pressezentrum, ist es wie in jedem Jahr - die Arbeitsplätze der Journalisten aus aller Welt sind gleich, ob in Kiew, Lissabon, Kopenhagen oder Stockholm. Der riesengroße Raum hat keine Fenster und erst nach Feierabend, wenn man wieder am Ein- und Ausgangsdrehkreuz ausgecheckt hat, erkennt man wieder, in welcher Stadt man eigentlich ist. Schön ist das große Hallo, man kennt sich untereinander nach vielen Jahren gemeinsamer Berichterstattung und es gleicht einem großen 14-tägigen Familientreffen.
In der diesmal, im Verhältnis zu sonst, recht kleinen Veranstaltungshalle sind die Proben für das erste Halbfinale schon in vollem Gange. Auch Eliot hat seinen ersten Versuch schon hinter sich. Die erste Probe findet auch schon immer im Bühnen-Outfit statt, damit die Beleuchter und Bühnenhelfer - besonders bei überdimensionalen Kleidern (ja, die gibt es!) - z. B. schon Zeiten stoppen, sowie Scheinwerfer und Kameraführung programmieren können. Die Aufnahmen werden dann von der ganzen Delegation angesehen und es wird entschieden, ob der Auftritt so bleibt oder ob es Veränderungen geben muss. Zur Erinnerung: Die erste Probe von Blanche in Kiew 2017 fand in einem schwarzen Kleid statt. Man entschied sich aber nach den ersten Aufnahmen für eine weiße Robe.
Aber zurück zu Eliot: Er fühle sich wohl auf dieser Bühne, etwas "ganz anderes, als alle Bühnen vorher". Und auch der Song "Wake up" sei nicht alltäglich. Das habe er gewusst, als er ihn zum ersten Mal hörte, verriet er in einem ersten Gespräch mit den Journalisten. Traditionell hat in diesem Jahr wieder die RTBF die Verantwortung für den ESC und ebenso traditionell kommt der Nominierte aus den Reihen von "The Voice".
Pierre Demoulin, der Komponist des belgischen Beitrags, der auch das belgische Lied für Blanche geschrieben hatte, hat sofort bemerkt, dass in Eliot ein großes Talent schlummert, das in der Lage ist, die Menschen durch Emotionen zu erreichen. Zwei Tage haben die beiden zusammengesessen und dann wusste Pierre, was er für Eliot komponieren wird. "Wake up" passt gut zu dem 18-Jährigen und seine Message ist klar: Friede und Hoffnung! Die Botschaft geht besonders an die junge Generation in der ganzen Welt. "Gemeinsam können wir viel bewegen!"
Ich bewege mich jetzt mal in Richtung Hotel und hoffe, dass mein Gepäck endlich angekommen ist. Von allen Liedern des ersten Halbfinales, das einige Überraschungen in Sachen Beiträge, Outfits und Bühnenbilder hat, erzähle ich morgen. Shalom aus Tel Aviv.
Biggi Müller