Ende Mai 1968 hatte die britische Rockband Pink Floyd gerade ihre zweite Langspielplatte "A Saucerful of Secrets" fertiggestellt. Ein sehr experimentelles Album, für das ihr damaliger Manager, der 25-jährige Cambridge-Absolvent Peter Jenner, nach der optimalen Möglichkeit suchte, es zu präsentieren. "Bei einem Spaziergang durch den Hyde Park kam ich an einem Musik-Pavillon vorbei, wo für gewöhnlich Blaskapellen von Polizei, Militär oder Heilsarmee Gratis-Konzerte gaben. Und da kam mir die Idee, dass es doch eine schöne Sache sei, dort auch einmal kostenlose Konzerte für junge Leute zu veranstalten. Mit moderner Pop-Musik, so wie man das in den Parks von San Francisco machte", erinnert sich Jenner rückblickend.
Solche kostenlosen Open-Air-Konzerte boten Peter Jenner gleichzeitig die Chance, neben Pink Floyd auch andere interessante Bands bekannt zu machen. In einem Brief stellte er seine Idee den zuständigen Behörden vor. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Innerhalb von nur zwei Tagen rief die Hyde-Park-Verwaltung an und gab ihr Einverständnis.
Eine natürliche Mulde auf dem Park-Gelände, geformt wie ein Amphitheater, war wie geschaffen für die geplante Premiere. Als Behelfsbühne diente ein flaches Holzpodest, das bislang für Tanzveranstaltungen benutzt worden war. Vieles musste improvisiert werden. Auch die Bühnentechnik war nicht auf dem neuesten Stand.
15.000 Besucher beim ersten Konzert
Doch am 29. Juni 1968, einem sonnigen Samstag, war es soweit. Neben Pink Floyd, Tyrannosaurus Rex und dem Sänger Roy Harper, alle bei Peter Jenner unter Vertrag, standen auch Jethro Tull auf dem Programm. "Wir hatten keine Ordner, es gab keine Eintrittskarten, wir hatten keine Garderoben. Wir hatten gar nichts beim ersten Konzert. Aber alles lief gut! Und jeder fand es großartig im Park zu sitzen und keine Blaskapelle, sondern Popmusik zu hören", sagt Jenner.
Rund 15.000 Besucher waren gekommen. Und trotz aller Organisationsdefizite herrschten auf dem Festival-Gelände nicht Chaos und Krawall, sondern "Love and Peace". Der bekannte Radio-Moderator John Peel sagte einige Jahre später, es sei das netteste Konzert gewesen, das er jemals besucht habe. Und Pink-Floyd-Musiker Nick Mason sprach von einer Atmosphäre, wie bei einem Picknick.
Schon einen knappen Monat später fand das nächste frei zugängliche Rock-Konzert im Hyde Park statt, dem bis September 1971 noch zehn weitere folgten und zu denen teilweise über 100.000 Besucher kamen. "Die Konzerte wurden unglaublich erfolgreich. Es war eine vollkommen neue Veranstaltungsform, bei der neue Musikstile nicht in kleinen Clubs, sondern vor großem Publikum präsentiert werden konnten", erklärt Jenner.
500.000 Besucher bei den Stones
Am 5. Juli 1969 wollten auch die Rolling Stones im Hyde Park auftreten. Die Superband steckte damals in einer Schaffenskrise und hatte zudem ihr Gründungsmitglied Brian Jones wegen Drogenproblemen entlassen müssen. Im Hyde Park wollten die Stones ihren Fans beweisen, was noch in ihnen steckte.
Man rechnete mit einem Besucheransturm. Als zwei Tage vor dem geplanten Auftritt bekannt wurde, dass Brian Jones verstorben war, sorgte das für zusätzlichen Rummel. 500.000 Menschen kamen, um die "Stones" zu sehen. "Dieses Konzert bekam eine unglaubliche Presse", erinnert sich Jenner. "Es war der erste Auftritt der Rolling Stones seit langem und die erste Show ohne Brian Jones und mit einem neuen Gitarristen. Der Auftritt markierte den Beginn einer neuen Ära für die Rolling Stones."
Neben den Rolling Stones waren es Bands wie King Crimson, Blind Faith oder Humble Pie, die man in den Anfangsjahren der Hyde-Park-Konzerte erleben konnte. Umsonst und in einer unvergleichlichen Atmosphäre. Als die neuen Veranstalter Mitte der 1970er dazu übergingen, Eintritt zu verlangen, tat das den Besucherzahlen zwar keinen Abbruch, aber die Konzerte verloren ihren zwanglosen Charme. Sie wurden zu kommerziellen, durchorganisierten Veranstaltungen mit einem Musikprogramm, das sich mehr und mehr am Mainstream orientierte.
Alfried Schmitz
Warum macht man das heute nicht mehr?