Mehr als verdiente Standing Ovations und nicht enden wollender Applaus erhielt Tatiana Serjan am Ende einer sehr gelungenen Produktion von Verdis "Macbeth" in der Lütticher Oper. Welch eine Stimme, welch eine Ausstrahlung. Die Besucher der Lütticher Oper können sich glücklich schätzen, dass Stefano Mazzonis Tatiana Serjan seit rund fünfzehn Jahren sehr gut kennt und er die Künstlerin, die an allen bedeutenden Häusern weltweit singt, jetzt erstmals nach Lüttich verpflichten konnte, und dies gleich in ihrer Paraderolle als Lady Macbeth.
Serjans Stimme ist in allen Registern klangschön und ausdrucksstark. Selbst wenn Verdi verlangt, dass die Lady Macbeth nicht immer schön sondern dramatisch singen soll, schafft sie es, beides miteinander zu verbinden. Serjans Lady Macbeth dürfte derzeit kaum ihresgleichen finden. Daneben haben es die anderen Protagonisten nicht leicht. Da muss dann schon ein Meister wie Leo Nucci ran, um den Macbeth zu singen. Nucci, mittlerweile 76 Jahre, strahlt immer noch eine unglaubliche Bühnenpräsenz aus. Auch stimmlich ist er trotz des fortgeschrittenen Alters bewundernswert. Vor allem in der Schlussszene nimmt er für sich ein. Allerdings, bei allem Respekt, darf nicht verschwiegen werden, dass er sich zwischendurch ein wenig zurücknimmt und auch einen kurzen Moment aus der Rolle war. Nichtsdestotrotz zählt er immer noch zu den bedeutenden Macbeth-Interpreten.
Auch die weiteren Rollen sind adäquat besetzt. Zum Beispiel Giacomo Prestia als Banco und vor allem der Tenor Gabriele Mangione als Macduff. Getragen werden sie vom Orchester der Königlichen Oper der Wallonie und dem Dirigenten Paolo Arrivabeni, der nach einiger Zeit "sein Orchester" wiederfindet. Arrivabeni ist ein wahrer Verdi-Spezialist. Er treibt mit klarem Dirigat seine Musiker voran, setzt die notwendigen spannenden Akzente, unterstützt die lyrischen Momente. Das ist Verdi in exzellenter Interpretation, auch wenn es ab und zu mal kleine solistische Ausrutscher gab. Das war wohl dem Premierenstress geschuldet. Ebenso beeindruckend die Leistung des Chores, der sich ja in zahlreichen Szenen auszeichnen kann. Pierre Iodice hat den Chor glänzend vorbereitet.
In Lüttich wird die revidierte Pariser Fassung von "Macbeth" gegeben, die ja auch eine Ballettszene umfasst. Die Compagnia de Centro di Danza Balletto di Roma setzt in einer perfekt getimten Choreographie einen sehr gelungenen modernen Gegenpol zu den historischen Kostümen. Hier ist nämlich schwerer Brokatstoff angesagt, der aber wunderschön in ein sonst sehr karges Bühnenbild passt. Nur sechs Quader bilden die Requisite auf dem einem Schachspiel nachempfundenen Bühnenboden, der dank eines an der Decke hängenden Spiegels zahlreiche Perspektiven ermöglicht. Es ist nicht das erste Mal, dass wir dies auch in Lüttich sehen, aber Stefano Mazzonis, der für die Regie verantwortlich zeichnet, geht sehr geschickt damit um.
Es ist eine durchaus gelungene Inszenierung, die in Lüttich eine ohnehin sehr erfolgreiche Saison abschließt. Bis zum 26. Juni steht "Macbeth" noch auf dem Spielplan.
Hans Reul