Eines ist sicher: Mit Samuel Hasselhorn siegt die Musik beim diesjährigen Königin-Elisabeth-Wettbewerb. Hasselhorns Welt ist nicht die reine Virtuosität, die Kunst der schnellen Läufe oder des spektakulären Auftritts. Nein, er gestaltet jedes Lied, jede Arie mit einer Ausdrucksstärke, die eine Verinnerlichung, ein so tiefes Verständnis der Melodie und des Textes offen legt, wie sie nur bei ganz großen Interpreten zu finden ist.
Der 27-jährige Bariton, der übrigens am 15. Mai seinen 28. Geburtstag feiert, hatte von Beginn an sein Programm auf das Lied ausgerichtet. Schon wie er in der ersten Runde, bei der jeder Teilnehmer nur knapp zehn Minuten hat, um die Jury zu überzeugen, das berühmte Erlkönig-Lied von Franz Schubert sang, war ein Lichtblick, ein Moment der lyrisch-poetischen Erbauung. Dass er dann im Halbfinale ausschließlich Lieder der deutschen Romantik präsentierte, war ein kalkuliertes Risiko. Der Mann braucht nicht in einer Rossini-Arie ein rasantes Parlando an den Tag zu legen, nein, seine Stimme bietet so viele Klangfarben, dass er auch in diesem vielleicht zartesten aller Genres zu glänzen weiß.
Beim Finale am Samstagabend, wenn alle dann erstmals vom Symphonie-Orchester der Monnaie begleitet werden, begann er auch mit zwei Liedern von Gustav Mahler, dem folgte der schönste Augenblick des Wettbewerbs "Es ist genug" aus dem Oratorium "Elias" von Felix Mendelssohn-Bartholdy. So still, so im Gebet vereint - und dies ganz gleich ob man nun gläubig ist oder nicht, das spielt hier gar keine Rolle - war das Auditorium mit seinen 2.000 Konzertbesuchern zu keinem anderen Zeitpunkt. Und dass er gleich in diese vielsagende Stille hinein die Arie des Rodrigo aus Verdis "Don Carlos" folgen ließ, zeugt von einem hohen Verständnis der Musik.
Samuel Hasselhorn ist der verdiente Sieger des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs 2018. Ob er eine große Karriere in der Oper machen wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber vergessen wir nicht, der Brüsseler Wettbewerb ist ein Gesangs- und kein Opernwettbewerb. Hier könnten andere Laureaten tatsächlich eher Fuß fassen.
Nehmen wir nur den Drittplatzierten, den chinesischen Bass Ao Li. Er verfügt über eine phantastische Stimme und nur selten geht einem Bass so leicht das Parlando über die Lippen. Oder die Fünftplatzierte Rocio Pérez, ein Sopran mit der virtuosen Leichtigkeit, der keine Koloratur zu verwegen ist. Dass sie ihren Finalauftritt mit der "Höllen Rache"-Arie der Königin der Nacht aus Mozarts "Zauberflöte" begann, spricht für ein gesundes Selbstbewusstsein. Sie wird ihren Weg gehen.
Auch den beiden französischen Mezzo-Sopranistinnen Eva Zaïcik als Zweitplatzierte und Héloïse Mas, die auf dem fünften Platz landete, steht eine schöne und erfolgversprechende Laufbahn offen. Das gilt auch für unser Landsfrau Marianne Croux, die Sechste wurde und den Publikumspreis der RTBF gewann. In der Hörer- und Zuschauergunst der VRT stand eine andere Belgierin im Fokus, Charlotte Wajnberg gewann hier den entsprechenden Preis.
Wenn die sechs ersten Laureaten demnächst mit dem Belgischen Nationalorchester auf Tournee gehen, machen sie auch Station in St. Vith. Das Datum des 16. Juni sollten sich alle Musikfreunde schon notieren, denn dann gastieren die Besten der Besten des Concours Reine Elisabeth 2018 im Triangel.
Hans Reul