Das erste Halbfinale ist komplett: Alle neunzehn Interpreten, die am 8. Mai um den Einzug ins Finale des 63. Eurovision Song Contest kämpfen, haben ihre erste Probe hinter sich und damit eine erste Visitenkarte abgegeben. Dementsprechend werden natürlich auch die Wettquoten angepasst. Geht es nach den Buchmachern, wird (Stand: 1.5.) Israel den ESC 2018 gewinnen, vor Norwegen und Australien. Belgien wird demnach sicher das Finale erreichen.
Und das ist die Konkurrenz im 1. Halbfinale (in der Startreihenfolge):
Den Auftakt der Proben-Saison 2018 machte Aisel aus Aserbaidschan. Für den Titel "X My Heart" hat das Team um die 28-Jährige Tim Bran verpflichtet, der den belgischen Titel von 2017 "City Lights" von Blanche produzierte. Komponiert wurde der Song von Dimitri Kontopoulos, der 2016 auch den russischen Beitrag "You´re the Only One" (3. Platz mit Sergey Lazarett) komponierte.
Aisel stammt aus einer Musikerfamilie, ist eigentlich klassische Pianistin und hat sich dem Jazz verschreiben.
Ari Ólafsson aus Island bezeichnet sich selbst als Hardcore-ESC-Fan. Aufgrund eines Stipendiums am Royal Conversatory of Music in London, wird er nach dem ESC für vier Jahre in die britische Hauptstadt ziehen. Sein Bühnenoutfit, ein rot-weißer Anzug, soll Island mit seinen extremen Naturgewalten wie Lava und Eis symbolisieren. Da muss man allerdings auch erstmal drauf kommen... "Our Choice" wird es schwer haben, ins Finale zu kommen.
Eugent Bushpepa vertritt Albanien. "Mall" ist ein Lied, das sich inhaltlich mit dem Thema Trennungsschmerz und Sehnsucht beschäftigt, es entstand, als Eugent seine Familie vermisste, da sei ihm spontan die Idee zu dieser Melodie, erklärte er in seiner ersten, spärlichbesetzten Pressekonferenz. Musikalisch sei er in der Rockmusik beheimatet - als seine größten musikalischen Vorbilder nennt er Jim Morrison und Jimmy Hendrix. Seine musikalischen Interessen hat er sich auch auf den ganzen Körper tätowieren lassen - Gott sei Dank hat er sie uns aber nicht alle gezeigt. Wenn es mit der Musik nicht klappt, kann Eugent auch in seinem erlernten Beruf Geld verdienen: Er ist Zahnarzt.
Mikolas Josef aus Tschechien hatte Pech bei der ersten Probe. Bei einem Salto auf der Bühne verletzte er sich am Rücken und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. "Lie to me" ist einer der Favoritensongs in diesem Wettbewerb. Es ist eine moderne, zeitgemäße Mischung aus Rap und Pop und erinnert ein bisschen an den belgischen Beitrag von 2015 - Loic Nottets "Rythm Inside" (Platz 4). Inzwischen gibt es gute Neuigkeiten von ihm: Egal was passiere, Aufgeben sei keine Option.
Ieva Zasimauskaite aus Litauen bringt viele hier zum Schwärmen. Ihre gefühlvolle Liebesballade "When We´re Old" wird durch ihre markante Stimme getragen, die allerdings bei der ersten Probe noch nicht da war. Überhaupt schien der komplette Auftritt noch nicht ausgereift. Ieva bringt ihre Familie mit auf die Bühne. Bei den eingeblendeten älteren Menschen sind Eltern dabei, mit ihrem Mann steht sie am Ende der Performance Hand in Hand auf einer Brücke. Ob es für das Finale reicht, ist nicht sicher.
Netta aus Israel polarisiert. Mit ihrem Titel "Toy" ist sie am Beginn des Wettbewerbs Favoritin auf den Sieg. Und sie ist zweifellos eine Anwärterin auf den Barbara-Dex-Award, der jedes Jahr für das schlechteste Outfit beim ESC vergeben wir. Netta ist eine freche, vollschlanke Partygöre, im Stil von Beth Ditto, ihr Markenzeichen auf der Bühne und ständiger Begleiter ist eine Loop-Station. Auch wenn Nettas gewaltige Stimme noch nicht voll zu hören war, ihr Auftritt ist auf jeden Fall ein Hingucker.
Weißrussland schickt den jungen Ukrainer Alekseev in Rennen um die ESC-Trophäe. Aber da lege ich mich fest: Das wird nicht klappen. Wahrscheinlich wird es auch nicht für das Finale reichen. Die kitschige Inszenierung des romantischen "Forever" mit roten Rosen erntete Gelächter. Im Song geht es um die besten Momente in einer Beziehung, aber die Art, wie hier eine Rose für die Liebste ins Bild gebracht wird, ist sehr gewöhnungsbedürftig.
Elina Nechayeva aus Estland ist Opernsängerin, seit sie einmal Anna Netrebko gehört hat, obwohl sie ursprünglich Astronautin werden wollte. Ein Hingucker ist ihr Kleid, das bereits für die Vorentscheidung entworfen wurde und großartige Lichteffekte birgt. Wegen des langwierigen Ankleiden und Einrichten des Kleids, hat sie sich antrainiert, körperliche Bedürfnisse, wie den Gang zur Toilette, gut zu unterdrücken. Sie werden wahrscheinlich erst am Dienstag wissen, was ich meine. Ach ja - das Lied heißt "La Forza" und nervt über drei Minuten.
In Bulgarien wurde die Gruppe Equinox eigens für den Eurovision Song Contest zusammengestellt. Der Name der Band bedeutet Äquinoktium, die Tag und Nachtgleiche. Hinter dem Titel "Bones" steckten Wiener Produzententeam, das unter anderem schon für Lady Gaga, Tokio Hotel und Mary J. Blige geschrieben hat. Der qualitativ hochwertiger Beitrag lässt auf ein weiteres bulgarisches Top-Ergebnis hoffen.
Normalerweise kommen die Teams mit einer fertigen Performance zur ersten Probe und es geht dann nur noch um die Feinabstimmungen. Anders bei Mazedonien. Da lag noch soviel im Argen, dass mehr Zeit für die Perfektionierung aufgewandt wurde, als für den eigentlichen Auftritt. Der Titel "Lost and Found" wird von Eye Cue interpretiert. Das Duo aus Skopje besteht aus Maria Ivanovska und Borjan Trajkovski. Die Teilnahme Mazedoniens stand lange auf der Kippe, denn das Land war mit Zahlungen an die EBU in Rückstand.
Eines der großen ESC-Klischees bringt Franka Batelić aus Kroatien auf die Bühne: Die Windmaschine! Franka gestand, die Windmaschine zu lieben, sie gäbe ihr ein Gefühl von Fliegen auf der Bühne. Der Titel "Crazy" wird als einer der Geheimfavoriten bei den ESC-Fans gehandelt. Franka ist nicht nur Sängerin, sondern studiert auch Jura und steht kurz vor ihrem Abschluss.
Als Mitfavorit wird auch Cesár Sampson aus Österreich gesehen. Grund ist unter anderem die Eurovisionsvergangenheit von Cesár und seinem Produktionsteam. Der junge Mann aus Linz stand schon als Chorsänger für Bulgarien der letzten beiden Jahre auf der Bühne. Jetzt rückt er als Sänger der eingängigen R´n´B-Popnummer "Nobody but you" in die erste Reihe.
Yianna Terzin hat als Kind immer davon geträumt, zum ESC zu fahren. Nun gut, dass sagen viele Künstler und das trifft sicher auch für die meisten von ihnen zu. Das Lied "Oneiro Mou", das Yianna für Griechenland singt, ist aus einer finanziellen Situation entstanden: Der griechische Rundfunk bat die Plattenfirmen um Unterstützung bei der Kostenübernahme für die ESC-Teilnahme. Da blieb nur noch die des Liedes "Oneiro Mou" übrig. Damit sollte die Erreichung des Finales möglich sein.
Eine hochgelobte Siegfavoritin ist Saara Aalto aus Finnland. Für Finnland saß der Schock 2017 tief, als es die großartige Ballade "Blackbirds" von Norma John nicht ins Finale geschafft hat. Die Finnen lieben den Song Contest und so sind sie diesmal wieder guter Dinge, dass "Monsters" Finnland wieder auf bessere Platzierungen bringt. Bei der ersten Probe blieb Saara aber noch hinter den Erwartungen zurück. Das lag sicher auch daran, dass sie noch mit technischen Problemen zu kämpfen hatte.
Zum ersten Mal ist der Beitrag von Armenien komplett in der Landessprache. "Qami" (auf deutsch: Wind) wird von Sevak Khanagyan interpretiert. Für ihn sei der Song Contest eine der besten Möglichkeiten, kulturelle Vielfalt zu zeigen und dies lasse sich musikalisch in der Landessprache bestmöglich umsetzen, sagte er im Interview. Dafür gab es einen kräftigen Applaus der Pressevertreter. Mir persönlich würde es sehr leid tun, sollte Armenien das Finale verpassen.
Das Geschwister-Duo Zibbz (Co und Stee Gfeller) aus der Schweiz will unbedingt ein Zeichen gegen Mobbing setzen, erzählen die beiden in der Pressekonferenz nach der ersten Probe. Ursprünglich aus Gisikon, pendeln sie inzwischen aber ständig zwischen der Schweiz und ihrer Wahlheimat Los Angeles. Ihr Song "Stones" ist ein energiegeladener Power-Pop-Rocksong. Leider ist es sehr unwahrscheinlich, dass es die Schweizer ins Finale schaffen, daran ist auch das sehr freizügige Outfit von Co, das so überhaupt nicht dazu passt, nicht unschuldig.
Wie wird Irland eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern auf die ESC-Bühne bringen? Das Land mit den meisten ESC-Siegen hatte sich in den letzten Jahren nicht eben mit Ruhm bekleckert. Um so größer der Druck, es in diesem Jahr besser zu machen. Und die Umsetzung des Themas "gleichgeschlechtliche Beziehung" ist hervorragend gelungen. Die herzerwärmende Story über ein Männerpärchen, das durch Dublins abendliche Gassen schlendert, hat schon im Video die Eurovision-Fans begeistert. Gesungen wird die gefühlvolle Popballade "Together" von Ryan O´Shaughnessy, dessen Patenonkel Gary schon 2001, allerdings mit mäßigem Erfolg, am ESC teilgenommen hat.
Sex sells! Mit diesem Motto scheint sich Zypern auseinandergesetzt zu haben. Sängerin Elena Foureira erzählte, dass, als ihr das Lied "Fuego" vorgestellt wurde, sie nach den ersten Takten des Liedes begann leicht zu stöhnen, was sich im weiteren Verlauf des Songs steigerte, und am Ende des Liedes war klar, das ist das Lied mit dem sie auftreten möchte. Euphorisch teilte die Delegationen mit, Zypern sei bereit, den ESC 2019 vom westlichen zum östlichen Teil des Mittelmeers zu holen. Schon wegen des knappen Outfits und der Schönheit Elends dürfte der Finaleinzug garantiert sein.