Das muss Adriano Celentano erstmal einer nachmachen: Als er Mitte November 2016 mit seiner Duettpartnerin Mina das Album «Le migliori» («Die Besten») herausbrachte, reichte die verbleibende Zeit bis Neujahr völlig aus, um auf das meistverkaufte Album des Jahres in Italien zu kommen. In wenigen Wochen wurden mehr als 250 000 Stück abgesetzt. Das Rentenalter hatte der mit «Azzurro» berühmt gewordene Cantore da längst überschritten. Am Samstag wird der Sänger, Schauspieler und TV-Moderator 80 Jahre alt. Viele Millionen Platten weltweit hat Celentano in seinem langen Künstlerleben abgesetzt, er gilt als einer der erfolgreichsten Vertreter seiner Zunft in Italien.
Seine Karriere begann der Mann mit der Reibeisenstimme, der 1938 als Sohn apulischer Zuwanderer in ärmlichen Verhältnissen in Mailand zur Welt kam, vor mehr als 60 Jahren als Rock'n'Roller. Inspiriert von Bill Haley & His Comets gründete er seine erste Rockband, coverte zunächst Titel wie "Tutti Frutti" oder "Jailhouse Rock", bevor er in seiner Muttersprache Platten aufnahm. 1960 durfte er im Kultfilm "La Dolce Vita" von Federico Fellini in Rom sich selber spielen und rockte mit "Ready Teddy" die Caracalla-Thermen.
1959 gewann Celentano mit "Il tuo bacio è come un rock" ("Dein Kuss ist wie eine Rockmusik") das Festival von Ancona. Ein Hit nach dem anderen auf Italienisch folgte, darunter "Il ragazzo della Via Gluck" ("Der Junge aus der Gluckstraße"), ein autobiografisch inspiriertes Lied, in dem er schon 1966 Themen wie Umweltschutz und Bausünden aufgriff - und das die Fans noch Jahrzehnte später bei Konzerten mitsangen.
1968 kam dann das von dem genau ein Jahr älteren Paolo Conte geschriebene "Azzurro", das Lied von Tagträumen an einem Sommernachmittag in der Stadt und der Sehnsucht nach der fernen Frau, ein Ohrwurm, ein Stück Italiengefühl pur. Das inflationsgeplagte Italien der 70er Jahre besingt Celentano in «Svalutation», der Titel eine Anglisierung des Wortes «Svalutazione» (Abwertung).
Neben der unverwechselbaren Stimme, dem markanten Gebiss und den strähnigen Haaren wurde der eigentümlich federnde Gang zu Celentanos Markenzeichen - weshalb ihn die Italiener "Il Molleggiato" ("Der Gefederte") nennen. Als solcher machte er nicht nur auf der Bühne oder im Tonstudio "bella figura", sondern auch vor der Kamera. Er spielte in rund 40 Filmen, die meisten eher einfach gestrickt, aber oft zum Brüllen komisch. Dazu zählen "Der gezähmte Widerspenstige" und "Gib dem Affen Zucker" mit Ornella Muti oder "Der Größte bin ich".
Bei etlichen Filmen führte Celentano auch Regie oder schrieb das Drehbuch, in "Yuppi Du" gleich beides. Den "Showman", wie es auf Neuitalienisch heißt, kennen die Zuschauer zwischen Brenner und Brindisi, Padua und Palermo auch vom heimischen Bildschirm. In TV-Shows wie "Fantastico 8" oder "Rockpolitik" war er als Moderator auch um ungewöhnlich Einfälle nicht verlegen, etwa als er die Zuschauer einmal aufforderte, für fünf Minuten auszuschalten.
Der Inter-Mailand-Fan redete viel über Themen wie Umwelt, Tierschutz oder große Politik, wobei er da aber manchmal, wie schon in einigen Filmen, zu sehr in die Predigerrolle verfiel. Dem damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi warf er 2005 im Staatsfernsehen RAI vor, die Pressefreiheit zu verletzen. Dessen Partei konterte, dass Celentanos TV-Auftritte der beste Beweis dafür seien, dass es Meinungsfreiheit in Italien gebe.
Verheiratet ist "Il Molleggiato" seit 1964 mit der Schauspielerin, Sängerin und Produzentin Claudia Mori. "Siamo la coppia più bella del mondo" ("Wir sind das schönste Paar der Welt") sangen sie 1967 im Duett. Anscheinend war in der Ehe aber nicht immer alles "bello", denn Anfang der 80er Jahre sollen die beiden mehrere Jahre getrennt gelebt haben. Hartnäckig hielten sich Gerüchte über eine Affäre zwischen Celentano und Ornella Muti. "Ich hatte was mit Adriano Celentano", sagte letztere gut 30 Jahre nach den gemeinsamen Filmen 2014 der Zeitung "Il Fatto Quotidiano".
So weit bekannt konfliktfrei verlief die berufliche Beziehung zwischen Celentano und Duettpartnerin Mina. 1998 veröffentlichten sie zusammen ein Album mit dem simplen Titel "Mina Celentano", ein Riesenerfolg mit ungefähr zwei Millionen Verkäufen. Im vorgerückten Alter von 78 und 76 sangen sie dann 2016 zusammen auf "Le migliori".
Dass sie wirklich noch die Besten sind, ist für Fans keine Frage, und nun haben die beiden noch eins draufgesetzt: das am 1. Dezember 2017 erschienene Set "Tutte le migliori" («Alle die besten»). Es ist eine Zusammenstellung früherer Erfolge, enthält aber auch ein als Single ausgekoppeltes neues Stück: Ein Lied über das Ewig-Weibliche mit dem Titel "Eva".
dpa/sh