Bilder von nachhaltiger Dringlichkeit, eine zurückhaltend immer effiziente Personenregie, dazu ein allen Feinheiten der Poulencschen Partitur folgendes und glänzend disponiertes Orchester unter engagierter und feinsinniger Leitung sowie ein Solistenensemble, das allen Wünschen gerecht wird: So und nur so kann man diese Produktion von Poulencs „Dialogues des Carmélites“ beschreiben.
Regisseur Olivier Py, der manchmal zu einer drastischen Bildersprache greift, lässt das Drama um die Karmelitinnen von Compiègne, die 1794 während der Revolution den Märtyrertod sterben, in einer dem Thema angemessenen zurückhaltenden Schlichtheit spielen. Die Handlung beginnt noch im Hause der Familie De Force.
Die junge Blanche bekundet ihren Wunsch ins Kloster zu gehen. Da öffnet sich die schwarze Wand zu einem lichtdurchfluteten Kreuz, Symbol des Karmels, in das sie bald eintreten wird.
Die Bühnenbilder, die im Laufe des Vorstellung folgen und von Pierre-André Weitz entworfen und kongenial von Bertrand Killy ausgeleuchtet sind, dienen Olivier Py zu einer intensiven Personenführung. Wie etwa die Priorin in einem frontal zum Publikum hängenden Bett Abschied von den Schwestern nimmt und wie Jesu am Kreuze den Agonietod stirbt, ist große fast kinematographische Kunst, ebenso das Schlussbild, in dem die Karmelitinnen vor einem Sternenhimmel eine nach der anderen den Märtyrertod finden, wird man so schnell nicht vergessen.
Poulenc hat das Fallen der Guillotine in die Musik einkomponiert. Eine Musik, die in ihrer Vielseitigkeit und auch oft sakralen Schlichtheit von atemberaubender Schönheit ist, wenn sie so grandios interpretiert wird, wie vom Orchester der Monnaie unter der Leitung von Alain Altinoglu.
Da aufgrund der dichten Aufführungsfolge für die vier Hauptpartien zwei Besetzungen notwendig sind, haben wir die Oper an zwei Abenden gesehen, und jedes Mal zeigte sich, dass das Brüsseler Opernorchester wieder zur alten Leistungsstärke zurückgefunden hat. Altinoglu sei Dank.
Es ist ja immer ein kleines Risiko, wenn eine Aufführungsreihe mit Doppelbesetzung arbeitet. Allzu schnell spricht von der Erst- und von der Zweitbesetzung. Hier verbietet sich dies, denn es sind zwei nahezu gleichwertige Besetzungen, die Operndirektor Peter De Caluwe verpflichten konnte.
Sicher spürt man, dass einige Solistinnen schon vor vier Jahren im Theater des Champs Elysees bei der ersten Aufführung dieser Coproduktion mit La Monnaie dabei waren. Sei es Patricia Petibon als Blanche, Véronique Gens als herbe und feinfühlig moderate spätere Priorin Mère Marie oder Sandrine Piau als ebenso zarte wie hingebungsvolle junge Schwester Constance. Am anderen Abend wusste Hendrickje Van Kerckhove es ihr auf ihre Art gleichzutun.
Die Vergleich sind höchst interessant: Ist Patricia Petibon eine verhalten suchende anrührende Blanche gestaltet Anne-Catherine Gillet die Rolle ebenso suchend, aber auf eine offensivere Art, die auch ihrem Temperament entspricht. Es scheint, dass Olivier Py jeder seiner Protagonistinnen ihre Eigenheit belässt und Alain Altinoglu sogar in den Tempi leichte Abweichungen erlaubt, so dass alles von unvergleichlicher Natürlichkeit wirkt.
Diese Produktion von „Dialogues des Carmélites“ zählt zum schönsten dieses Opernjahres. Noch bis zum 23. Dezember steht Poulencs Meisterwerk auf dem Programm der Monnaie. Es gibt für die einzelnen Termine noch einige wenige Restkarten.
Weitere Informationen und Reservierungen unter lamonnaie.be
hr/jp