Sind es sonst die aufwändig geschneiderten Kostüme sowie ebenso monumentalen wie detailgetreuen Bühnenaufbauten, die in Lüttich das Bild der Operninszenierungen prägen, sind es diesmal Plastikfolien, dunkle Wände und große Reagenzgläser.
Die italienische Regisseurin Rosetta Cuccchi hat sich für eine radikal moderne fast Science-Fiction angehauchte Bildersprache entschieden. Ihre Produktion von Donizettis „La Favorite“ wurde vorab schon im Opernhaus La Fenice in Venedig gezeigt und ist jetzt noch bis zum 28. November in Lüttich zu sehen.
Worum geht es eigentlich in dieser Oper? Fernand ist ein junger Novize, der zufällig im Klostergarten Léonor trifft und die beiden verlieben sich ineinander, obwohl Léonor die Mätresse des Königs Alphonse ist. Fernand verlässt das Kloster, meldet sich zur Armee und zeichnet sich im Kampf gegen die Mauren aus. Als Belohnung wird er von König Alphonse zum Offizier befördert und darf Léonor ehelichen.
Gleich nach der Trauung machen ihn die anderen ihm nicht gut gesonnenen Offiziere darauf aufmerksam, dass Léonor die Geliebte des Königs war. Fernand fühlt sich hintergangen, wütend kehrt er ins Kloster zurück und will so schnell wie möglich sein Gelübde ablegen. Léonor ist ihm nachgereist, kommt aber zu spät. Sie erreicht das Kloster als Fernand bereits sein Ordensgelübde geleistet hat und stirbt in seinen Armen, während er ankündigt ihr bald in den Tod zu folgen. Was für eine Geschichte!
Man kann das Ganze als eine Metapher sehen für das Verhältnis von Mann und Frau. Um dies zu erzählen verlegt Cucchi die Erzählung in die Zukunft. Die Klosterwand ist dunkel, fast schwarz und die Mönche stellen Glasbehälter mit auf Distanz nicht definierbarem Inhalt in die einzelnen Kästen, die Urnen oder Tresore sein können.
Das ist die eine Welt, die andere ist ganz hell, die Bühne ist mit hellen Waben umgeben auf denen sehr schön anzusehende Lichtspiele projiziert werden. In der Mitte steht eine riesige Plastikfolie in der sich die intimeren Szenen abspielen. Zum klarem Verständnis trägt dies leider nichts bei und ist auch ästhetisch nicht mal gelungen.
In diesem futuristischen Bühnenbild beschränkt sich die Regisseurin auf eine sehr statische Personenführung. Zum Glück wird in Lüttich aber auch diesmal auf hohem Niveau gesungen. Allen voran Sonia Ganassi, mit schön geführter Mezzostimme verleiht sie der Léonor Tiefe und Ausdruck, Cécile Lastchenko, die einzige Belgierin im Casting, überzeugt ebenso als ihre Vertraute Inès. Bei beiden ist auch die Aussprache vorbildlich.
Das kann man von den männlichen Protagonisten nicht sagen, dies gilt für Celso Albelo als Fernand sowie Mario Cassi als Alfphonse. Beide singen vorzüglich, ganz dem Belcanto-Stil verpflichtet, aber beide kämpfen mit der französischen Diktion. Warum Operndirektor Stefano Mazzonis für diese fast komplette italienische Besetzung optiert hat, bleibt sein Geheimnis.
Somit hinterlässt der Premierenabend ein sehr zwiespältiges Gefühl. Stimmlich top, aber eine schlüssige Inszenierung sieht anders aus.
Informationen unter: operaliege.be
Hans Reul