Die Geschichte der Katja Kabanowa ist alles andere als leichte Kost. Es ist ein tiefgründiges und dunkles Seelendrama. Katja, die Tichon, den Sohn der Kabachina hat heiraten müssen, liebt einen anderen, nämlich Boris, den Neffen des reichen Kaufmanns Dikoj. Aber die beiden dürfen ihre Liebe nicht zeigen. Als Katja dennoch ihre Beziehung offen legt, kann sie keine Gnade erwarten und sieht nur im Selbstmord die Lösung. Um Unterdrückung und Erlösung geht es dann auch in dieser Oper.
Regisseur Tibor Torell erzählt die Geschichte aus der Sicht der Katja. Sie steht, noch bevor der erste Ton aus dem Orchestergraben erklingt, ganz alleine auf der Vorbühne. Verzweifelt hält sie ihre Stoffpuppe in den Händen. Soll dies ein später Verweis auf Janaceks Oper "Jenufa" sein? Auf jeden Fall ist es in dieser Saison nach "L'incoronazione di Poppea" schon die zweite Aachener Inszenierung, die mit dem Spiel vor der eigentlichen Aufführung beginnt. Allerdings zur tieferen Erleuchtung trägt es nichts bei.
Zu den Klängen der Ouvertüre hebt sich der Vorhang und gibt den Blick frei auf die Bühne. Im Zentrum steht ein Lauftstall - etwa wieder eine Rückblende zur Jenufa - ein Laufstall, der in einen Kerker führt, in dem später Varvara, die Tochter der Kabachina kurz eingesperrt wird. Die Bühne läuft nach hinten spitz aus, links eine geschlossene Wand, rechts eine riesige Glaswand, die den Blick freigibt auf das ununterbrochene Prasseln des Regens an die Scheiben. Dann noch ein paar kleine Felshügel, die wohl eine naturalistische Anspielung sein sollen. Wir sind ja auf dem Land.
Die Kostüme sind auch ein nur schwer nachvollziehbarer Stilmix. Zum einen Alltagskleidung, zum anderen Fantasiekostüme. Der Chor ist in einer Mischung aus Brautkleidern und Geisterkostümen gewandet.
Vieles bleibt unklar in dieser Inszenierung, auch die Personenführung trägt nicht zur Erhellung bei. Da sind die Sänger fast auf sich selber gestellt, und mit ihren sängerischen Leistungen gelingt es ihnen, den rund 100 Minuten langen Opernabend tatsächlich zu einem eindrucksvollen und berührenden Erlebnis zu gestalten.
Allen voran Irina Popova als Katja Kabanowa. Das Schauspielern ist nicht gerade ihre starke Seite, dies fällt vor allem bei den Minuten vor Beginn der Oper auf, wenn sie alleine auf der Vorbühne steht und nicht so recht weiß, wie sie das Publikum für sich gewinnen kann, aber mit ihrem sehr schön geführten Sopran gibt sie der Rolle der Katja die notwendige Tiefe und sie lässt uns an der Verzweiflung der jungen Frau teilhaben.
Ihr steht mit Katja Starke eine harte, kaltherzige Schwiegermutter gegenüber. Als Katjas Liebhaber Boris glänzt mit strahlendem Tenor Alexey Kosarev und Johan Weigel ist sein schon rein optisch schwacher Widerpart Tichon. Stimmlich stehen die beiden sich aber in nichts nach. Besondere Erwähnung verdient auch Viola Zimmermann, die als Varvara gesanglich wie darstellerisch brilliert.
Janaceks Musik ist für ein Orchester alles andere als einfach und das war am Premierenabend auch leider nicht zu überhören. Die Leistung des Sinfonieorchesters Aachen war in den lyrischen Momenten sehr solide, ab und zu blitzte auch die Dramatik der Janacek-Partitur durch, allerdings gab es besonders bei den Solopassagen immer wieder kleine Wackler, die auch Dirigent Justus Thorau mit engagiertem Dirigat nicht wettmachen konnte.
Sicher wird das Werk bei den nächsten Vorstellungen noch reifen. Dies wäre der verdiente Lohn für eine mutige Entscheidung des Theaters Aachen, ein Werk wie "Katja Kabanowa" ins Programm zu nehmen.
Hans Reul