Wenn man nur das Libretto liest, dann kann man sogar ein wenig nachvollziehen, dass diese Oper von Erich Wolfgang Korngold, die 1927 ihre Uraufführung erlebte, von den Spielplänen der Opernhäuser nahezu völlig verschwunden ist. In den letzten 30 Jahren gab es nur je eine Produktion in Bielefeld und in Kaiserslautern und in Gent selber stand das "Wunder der Heliane" 1970 auf dem Programm. Lange ist es her.
Aber eine Oper ist ja glücklicherweise mehr als nur Text, sondern auch Musik und Gesang. Und dann wundert man sich, warum die Intendanten einen Bogen um dieses Werk machen. Sicher, man braucht einige stimmgewaltige Solisten, die sowohl im Lyrischen wie Dramatischen zuhause sind, ein großbesetztes Orchester sowie Chor und Kinderchor und einen Regisseur, der es versteht aus der Geschichte ein sinniges Bühnenspiel zu machen. All dies finden wir in dieser neuen Produktion der Flämischen Oper.
Worum geht es eigentlich? Ein nicht näher benannter Herrscher leidet darunter, dass seine Frau Heliane ihn nicht liebt und darum dürfen auch seine Untertanen nicht glücklich sein. Da erscheint ein junger Fremder, der den Menschen Liebe und Glück verspricht. Das geht nun aber gar nicht, Also wird er zum Tode verurteilt. Der Herrscher gewährt ihm aber eine letzte Nacht, in der Heliane den Fremden besucht und sich in ihn verliebt, ohne sich ihm hinzugeben. Aber der Herrscher erwischt die beiden und Heliane wird des Ehebruchs bezichtigt.
Bei der Gerichtsverhandlung soll der Fremde als Zeuge aussagen, er besteht aber darauf, zunächst mit Heliane alleine sein zu dürfen. Da entreißt er ihr den Dolch und bringt sich um. Somit kann der Herrscher nicht die Wahrheit erfahren. Er verlangt, dass Heliane sich dem Gottesurteil unterwirft. Wenn sie unschuldig ist, wie sie behauptet, muss sie den Fremden wieder zum Leben erwecken.
Und wie durch ein Wunder erwacht der Fremde dann tatsächlich zum Leben. Wütend greift der Herrscher zum Schwert und tötet Heliane. Der Fremde verbannt daraufhin den Herrscher, dessen Macht gebrochen ist. Der Fremde schließt Heliane in seine Arme und vereint in ihrer Liebe steigen sie zum Himmel empor.
So weit, so gut. Aber die Musik kann Wunder bewirken, zumindest in der Produktion der Flämischen Oper. Das glänzend aufgelegte Orchester wird dem spätromantischen Klangbild absolut gerecht. Dirigent Alexander Joël führt die Musiker durch eine komplexe Partitur, die an Wagner, aber auch an Filmmusik erinnert. Korngold wird ja später in Hollywood zu einem ganz Großen der Szene und sogar den Oscar gewinnen. Die Führung der Solistenstimmen lässt einen manchmal an Puccini und dann an Mahler denken.
Ausrine Stundyte, die in der Flämischen Oper ja schon als Lady Macbeth von Mzensk zu begeistern wusste, singt und spielt mit leidenschaftlicher Energie die Heliane, der Tenor Ian Storey glänzt stimmlich als der Fremde, und vor allem ist Tomas Tomasson als bösartiger Herrscher überragend.
Regisseur David Bösch lässt die Handlung in einem Einheitsbühnenbild spielen, das an eine Wüste oder an eine durch Krieg oder Katastrophe zerstörte Landschaft erinnert. Ein paar verdorrte Sträucher, einige verrostete Fässer und eine zerstörte Wand, die vielleicht als Werbetafel oder als Hausfassade diente. Bösch konzentriert sich auf eine sehr genaue Personenführung, braucht keinen weiteren Schnickschnack. Übrigens ist die Aussprache der Protagonisten hervorragend, sodass man, abgesehen von den ersten Szenen, in denen das Orchester die Bühne klanglich überlagerte, jedes Wort verstehen konnte.
Ein Besuch in Gent - noch in dieser Woche Mittwoch und Sonntag - oder vom 3. bis 10. Oktober in Antwerpen, lohnt sich. Ansonsten wird man wohl wieder Jahrzehnte auf eine weitere Aufführung von "Das Wunder der Heliane" zumindest in Belgien warten müssen.
Hans Reul - Bild: Annemie Augustijns