Das was nicht passieren sollte, passiert dann doch irgendwann. Die 25-jährige Korenaerin Christine Jeonghyuon Lee hatte gerade die Einleitung des Pflichtkonzerts von Toshio Hosokawa gespielt, da rissen zwei Saiten an ihrem Instrument. Saitensprung beim Concours Reine Elisabeth. Aber mit welcher Gelassenheit sie dies aufnahm, verlangt uns allerhöchsten Respekt ab. Keine Spur von Nervosität, sondern eher ein schicksalsergebenes Lächeln. Sie verlässt die Bühne, spannt zwei neue Saiten auf und kehrt ebenso lächelnd zurück. Und beginnt aufs Neue gemeinsam mit dem Brussels Philharmonic konzentriert und engagiert das Stück. Man hätte befürchten können, dass sie die ausdrucksstarken Momente von "Sublimation" jetzt vorsichtiger angehen würde. Weit gefehlt, mit Verve und Kraft durchlebt sie die Partitur und selbst den pp-Passagen verleiht sie enorme Präsenz.
Das setzt sie dann auch beim alles andere als dankbaren Wahlkonzert von Robert Schumann fort. Die romantische, nach innen gewandte Stimmung dieses Spätwerks von Schumann spürt sie auf wunderbare Art und Weise nach. Es ist gewiss ein Wagnis dieses Konzert bei einem Wettbewerb anzubieten, denn es ist technisch nicht so ostentativ wie die Konzerte von Schostakowitsch oder Dvorak, aber wenn jemand das Werk so spielt wie Lee, dann lohnt sich dieses Risiko.
Danach erlebten wir einen technisch absolut perfekten Auftritt des 22-jährigen Japaners Yuya Okamoto. Was Intonation und Dynamik betrifft, kann man ihm nichts vorwerfen. Auch entfaltet er, nicht zuletzt dank des hervorragenden Testore-Cellos aus dem Jahre 1746, einen wunderschönen Klang. Aber er bleibt allzu sehr dem Notentext verhaftet, die Magie will nicht rüberkommen. Weder im Pflichtwerk noch in seinem Wahlkonzert, jenem von Antonin Dvorak. Okamoto bringt alles mit, um in ein paar Jahren ein großer Interpret zu werden.
Jetzt sind noch vier Kandidaten an der Reihe und nach den Eindrücken beim Halbfinale sind dies nicht die schlechtesten: Am Freitagabend der Franzose Bruno Philippe und der Kolumbianer Santiago Canon Valencia, der schon rein äußerlich aus dem Rahmen fällt. Langes Haar und Ringe an beiden Händen, was man bei Cellisten oder Violinisten so gut wie nie sieht. Aber ihm macht dies offensichtlich nichts aus. Einige Ringe sind ihm emotional sehr wichtig. Und am Samstagabend spielt dann zunächst der insgesamt vierte Franzose dieser Finalwoche Julien Victor-Laferrière und dann zum Abschluss der Weißrusse Ivan Karizna. Für manch einen ist er sogar der Geheimfavorit. Sollte wieder einmal der allerletzte Finalist das Rennen machen? Karizna weiß, dass dies oftmals beim Concours Reine Elisabeth der Fall war.
Eines ist sicher, der erste Königin-Elisabeth-Wettbewerb für Cello ist ein voller Erfolg. Es gab großartige Konzertabende, schon in der ersten Runde war der Saal in Flagey sehr gut besucht, ab dem Halbfinale wurde vor ausverkauftem Haus gespielt und das Publikum zeigte sich begeistert. Auf ein Neues in vier Jahren. Nächstes Jahr ist der Concours für Gesang ausgeschrieben.
Hans Reul - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA