Der Jüngste und die Älteste waren am Mittwoch an der Reihe. Der Pole Maciej Kuloakowski ist erst 21 Jahre jung und konnte bei seiner Interpretation des Pflichtwerks vor allem dem abschließenden immer leiser werdenden Ausklang des Stücks eine sehr persönliche Note verleihen. Hatte er zuvor doch einige Schwierigkeiten, sich gegen das Orchester durchzusetzen, konnte er hier die im Titel angegebene "Sublimation", das Entschweben auf eine höhere Ebene, darstellen. Nebenbei bemerkt war er der zweite Finalist, des das Werk, das alle Teilnehmer innerhalb nur einer Woche einstudieren müssen, auswendig spielte.
Kulakowski ist ein sehr feinsinniger Künstler. Das hätte er auch im Wahlkonzert noch deutlicher machen können. Er hat alles sehr korrekt gespielt, aber ihm fehlte im Einleitungssatz ein wenig das Klangvolumen und die Farbenvielfalt, die zum Beispiel am Abend zuvor die Interpretation des Franzosen Aurélien Pascal auszeichneten. Kulakowski war ja auch das Risiko eingegangen, dieses Schostakowitsch-Konzert zum allerersten Mal mit Orchester zu spielen, wie er uns vorab im Interview bestätigte.
Mit der 30-jährigen Koreanerin Seungmin Kang folgte dann ein ganz anderes Naturell. Selbstsicher, aus den Augenwinkeln jede Bewegung des Dirigenten Stéphane Denève verfolgend, machte sie im Hosokawa-Werk allein schon durch ihre zupackende Spielpräsenz die Dramatik des Konflikts zwischen Mensch und Natur deutlich, ohne jemals die ausgleichende und friedliche Seite außer Acht zu lassen. Aus dem nachfolgenden Dvorak-Konzert machte sie dann einen romantischen Hochgenuss der Extraklasse. Technisch braucht sie ohnehin nichts zu befürchten, sie beherrschte das Werk und verfügte auch noch über ein sehr wohlklingendes Instrument, ein Panormo-Cello aus dem Jahre 1811.
Man muss es einfach sagen, auch die Instrumente spielen natürlich eine Rolle bei einem Wettbewerb. Seungmin Kang versteht es aber auch, das Beste aus dem Instrument herauszuholen und gestaltete den ersten Satz zu einem intensiven Klangerlebnis. Dabei wählte sie ein sehr schnelles Tempo, dem sie aber ohne jede Mühe gerecht wurde. Wunderschön war immer wieder der Dialog zwischen ihr und den einzelnen Orchesterpulten, mal nahm sie sich zurück, überließ den Holzbläsern die Führung, griff dann aber wieder fordernd ein. Das war Kammermusik im symphonischen Bereich. Nach dem fulminanten Finalsatz waren die Standing Ovations des Publikums mehr als verdient.
Zwischenbilanz
Damit ist Halbzeit beim Concours Reine Elisabeth. Als kleine Zwischenbilanz darf man feststellen, dass das Niveau dieses ersten Königin-Elisabeth-Wettbewerbs für Cello extrem hoch ist, dass bisher kein Finalist enttäuschte, sich zwei aber von den anderen abheben, nämlich die Koreanerin Kang und der Franzose Pascal. Aber es kommen noch sechs Musiker und darunter finden wir den einen oder anderen, der sich in den ersten Runden den Ruf eines Geheimfavoriten erworben hat.
Am Donnerstagabend spielt die nächste Koreanerin, Christine Lee. Für sie war die Woche in der Chapelle Reine Elisabeth in Argenteuil eine Art Heimspiel, denn sie studiert hier bei Gary Hoffman, den sie schon in den USA kennen lernte. Ebenso wichtig für die Wahl der belgischen Eliteschule war die Tatsache, dass die Chapelle den Studierenden die Möglichkeit gibt, sich immer wieder in Konzerten auszuprobieren.
Danach wird dann der Japaner Yuya Okamoto neben dem Pflichtwerk das Dvorak-Konzert spielen. Obwohl er vor 23 Jahren in Tokio geboren wurde, hat er die meiste Zeit seines Lebens in Deutschland verbracht und auch dort mit der Musik begonnen.
Zunächst hat er mit seiner Mutter Klavier gelernt, aber mit sechs Jahren wollte er zu einem anderen Instrument wechseln und der Zufall wollte es, dass in der Musikschule ein sehr netter Cellolehrer war und so stand die Entscheidung dann schnell fest. Wenn also der Cello-Lehrer nicht so nett gewesen wäre, hätte Okamoto vielleicht auch ein anderes Instrument gelernt.
Hans Reul - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA