Auf Elefanten, triumphale Aufmärsche oder Pyramiden-Nachbauten muss man verzichten bei der aktuellen Aida-Produktion der Brüsseler Oper La Monnaie. Aber das fällt gar nicht schwer, denn der berühmteste aller Triumphmärsche ist ja ohnehin nur eine einzige Szene in einem Werk, das so viel mehr zu bieten hat.
Denn wenn die Fanfaren einmal verklungen sind, dann konzentriert Verdi die Handlung ohnehin auf das Dreieckverhältnis um Macht und vor allem Liebe zwischen dem ägyptischen Feldherrn Ramses, der Königstochter Amneris und der äthiopischen Sklavin Aida. Regisseur Stathis Livathinos versteht es grandios uns in diese Geschichte einzubinden, sie klar und modern zu erzählen. Dabei ist es die erste Opernregie dieses erfahrenen griechischen Theatermannes.
Das Bühnenbild ist karg zu nennen. An und für sich besteht es nur aus der Imitation eines riesigen Felsbrockens in der Wüste über dem fast schützend ein großer quadratischer Block hängt mit einem inneren leeren Ring, der ganz zum Ende der Oper wie ein Grabstein auf den Felsbrocken nieder sinkt. Für die Sänger ist es gewiss nicht leicht, sich auf dem unebenen Untergrund zu bewegen, so als wollte Livathinos sie aus dem Gleichgewicht bringen, was der Geschichte absolut entspricht.
Ihm steht ein grandioses Sängerensemble zur Verfügung. Überragend ist die amerikanische Sopranistin Adina Aaron als Aida. Eine wunderschöne Stimme, wie sie zum Beispiel deutlich hörbar und präsent das feinste Pianissimo gestaltet, das ist ganz große Kunst. Es war ihr Debüt in Brüssel, man kann nur hoffen, sie auch in den nächsten Spielzeiten wieder zu sehen.
Aber sie lässt den anderen Protagonisten auch den verdienten Raum. So kann Nora Gubisch als Amneris stimmlich und vor allem schauspielerisch überzeugen, Andrea Caré singt mit sehr schönem, strahlendem aber doch ein wenig einförmigem Tenor die anspruchsvolle Rolle des Radames und Dimitris Tiliakos ist ein sich ruhender König Amonasro. Auch die weiteren Partien sind adäquat besetzt.
Für die Kostüme zeichnet Andrea Schmidt-Futterer verantwortlich. In wunderschönem Blau sind die Äthiopier gekleidet, die Ägypter in sandfarbenen Kostümen. All dies trägt zur klaren Erzählweise der Handlung bei, wobei Livithanos sich nicht scheut, einige sehr dezent eingesetzte Elemente hinzuzufügen, etwa das Rauschen des Windes gleich zu Beginn der Aufführung und zwischen den Bildern, oder der Schmerzensschrei der Äthiopierinnen beim Triumphmarsch. Dass er beim Ballett der Sklavenmädchen auf eine folkloristische Tanzszene verzichtet und stattdessen die Äthiopierinnen tief gebeugt und langsam über die Bühne gehen lässt, ist ebenso schön wie einleuchtend.
Beim Triumphmarsch kann der hervorragend disponierte Chor von La Monnaie sein ganzes Können zeigen. Das Orchester der Monnaie ist auf dem besten Weg, seine frühere Qualität zurückzugewinnen. Dies ist gewiss das Verdienst von Chefdirigent Alain Altinoglu. Er versteht es selbst unter den alles andere als idealen Bedingungen des Konzertzelts, die solistischen Passagen genauso wie das große Ganze präzise, klangschön und engagiert auszuarbeiten.
Bis zum 4. Juni steht Aida auf dem Programm von La Monnaie. Aufgrund der dichten Aufführungsfolge ist eine Doppelbesetzung vorgesehen.
Hans Reul - Fotos: Forster/La Monnaie