Die Gier nach Macht, das leidvolle Schicksal der Kinderlosigkeit, der Verrat unter Freunden, "Macbeth" von Giuseppe Verdi lässt viele Ansätze einer Deutung zu. Manchmal will ein Regisseur auch des Guten zu viel, wie dies bei der Eröffnungsproduktion der Brüsseler Oper La Monnaie vor wenigen Wochen der Fall war. Da durfte man gespannt sein auf den nächsten "Macbeth" im Theater Aachen.
Im Programmheft wird auch gleich ein Vergleich zu der sehr erfolgreichen TV-Serie "House of Cards" gezogen. Sogar vom amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump als Referenz ist die Rede. Nun, den beiden begegnen wir glücklicherweise nicht auf der Bühne. Regisseur Tobias Heyder optiert bei Kostümen und Ausstattung eher für eine zeitlose Sicht.
Die Handlung spielt vor einer metallfarbenen Rückwand, aus deren Türen und Fenstern die einzelnen Personen heraustreten oder herausschauen. Dann dürfen die Solisten meist an den Bühnenrand schreiten und sich gleich dem Publikum zuwenden. Von einer dezidierten Personenführung ist wirklich nur wenig zu spüren. Auch hätte man sich gerade aufgrund der Rückwand eine intensivere Lichtregie wünschen können.
Tobias Heyder lässt zum kurzen Orchestervorspiel Macbeth und Lady Macbeth nach einer Liebesnacht erwachen. Macbeth ist, dass wird im Laufe des Abends sichtbar, ein Macho, der jeden Frauenrock betatscht. Um seine Machtambitionen offensichtlich zu machen, darf er auch mit einem sogenannten Morgenstern herumfuchteln.
Lady Macbeth, die bei vielen Inszenierungen die eigentlich treibende Kraft ist, erscheint mir hier eher zurückhaltend. Auch die anderen Protagonisten sind nur schwach gezeichnet. Manchmal hat man den Eindruck, eine fast konzertante Aufführung zu erleben. Schade. Denn musikalisch und stimmlich hat diese Aachener Produktion viel zu bieten.
Allen voran muss der Chor erwähnt werden. Die rund 40 Stimmen von Opern- und Extrachor glänzen von der ersten Szene an. Chorleiterin Elena Pierini hat hervorragende Arbeit geleistet.
Ebenso beeindruckend die Orchesterleistung. Kazem Abdullah lässt die Dramatik der Musik Verdis in all ihrer Kraft aus dem Orchestergraben aufsteigen, aber auch die lyrischen Momente gelingen ihm vorzüglich, so dass die Sänger nie überdeckt werden.
Der Aachener Hausbariton Hrolfur Saemundsson lässt als Macbeth keine Wünsche offen, bei Sanja Radisic als Lady Macbeth muss man vor allem im ersten Teil des Abends manchmal um die Höhen fürchten, aber im zweiten Teil wird auch sie allen Ansprüchen gerecht. Alexey Sayapin ist mit seiner wunderschönen Tenorstimme für die Rolle des Macduff ein absoluter Gewinn.
Dem lang anhaltendem Beifall für Chor, Orchester, Dirigent und Solisten am Premierenabend kann man nur beipflichten. Im November steht "Macbeth" noch am 19. und 27. auf dem Spielplan, weitere acht Termine folgen von Dezember bis April.
Hans Reul - Fotos: Wil van Iersel/Theater Aachen