Vor neun Jahren stand Nabucco zum letzten Mal auf dem Spielplan der Königlichen Oper der Wallonie und Paolo Arrivabeni zeigte damals schon welch großartiger Verdi-Dirigent er ist. Aber damals wurde das Orchester des Lütticher Opernhauses den Vorstellungen des Maestro noch nicht ganz gerecht. Wenn man das Orchester jetzt hört, spürt man, welche fantastische Entwicklung der Klangkörper genommen hat. Und so war es nicht verwunderlich, dass Arrivabeni am Ende der Premiere vom Publikum besonders begeistert gefeiert wurde. Die ganze Dramatik der Handlung spiegelt sich schon im Orchestergraben, sprich in der Musik wieder.
Auch der Chor hat sich unter dem neuen Leiter Pierre Iodice beachtlich entwickelt. Nicht nur im berühmten Gefangenenchor, dem absoluten Hit der Oper kann der Chor überzeugen, auch in den anderen Chorpassagen - und davon gibt es jede Menge in Nabucco - entwickelt sich ein homogener Chorklang, aus dem nur noch ab und zu einzelne Stimmen solistisch etwas störend heraustönen.
Der Hausherr Stefano Mazzonis hat diesmal selber die Regie übernommen. Es ist eine typische Mazzonis-Inszenierung. Er erzählt die Geschichte auf klar verständliche Weise. Bei Mazzonis darf man nicht eine psychologisch überraschende oder aktuell-politische Sicht auf ein Werk erwarten, wobei letzteres bei der Thematik des Werkes durchaus angebracht und mittlerweile auch fast schon die Regel geworden ist. Nein, Mazzonis konzentriert sich auf eine einfache Lesart, die ihre Berechtigung hat. Dabei hat er diesmal für die Kostüme ganz schön in den Fundus des Hauses gegriffen oder die sehr edel wirkenden Kostüme sogar neu schneidern lassen.
Das ist mehr als opulent, ganz anders das Bühnenbild, das in seiner Kargheit kontrastiert. Nur wenige Requisiten oder Bauten, Mazzonis beschränkt sich auf einige emblematische Symbole, was ihn aber nicht davon abhält, manchmal in die Klamottenkiste der Ausstattung zurückzugreifen, zum Beispiel reitet Nabucco auf einem buntbemalten Pappmaché-Schimmel ein und wirkt fast wie ein Don Quichotte.
Für die Rolle des Nabucco konnte Mazzonis mit Leo Nucci für den Premierenabend einen der besten Interpreten überhaupt gewinnen. Es ist bewundernswert wie Nucci mit seinen doch schon 74 Jahren immer noch diese Partie sicher und ausdrucksstark meistert. Chapeau vor dieser Leistung!
Zwei junge Sänger waren neben Nucci die Entdeckungen des Abends: Na'ama Goldman sang wunderschön die Fenena und ebenso zum ersten Mal in Lüttich zu hören war der Tenor Giulio Pelligra als Ismaele. Enttäuschend waren hingegen Virginia Tola als Abigaille und Orlin Anastassov als Hohepriester Zaccaria. Anastassov hatte hinsichtlich Intonation wie Klangfarbe einen schlechten Abend erwischt und Virginia Tola übertrieb es allzu gerne in den lauten Passagen. Dass sie auch feine Akzente setzen kann, zeigte sie in den mezzavoce Momenten, warum nicht immer so?
Aber wer in den nächsten Tagen die Aufführung besucht, wird an jedem zweiten Abend ohnehin eine andere Besetzung in den vier Hauptrollen erleben. Aufgrund der dichten Terminfolge ist eine Doppelbesetzung vorgesehen.
Bis zum 29. Oktober steht Nabucco noch auf dem Spielplan der Lütticher Oper.
Hans Reul - Bilder: Lorraine Wauters/Opera Royal Wallonie