Puccinis Opern zählen zu den meistgespielten des Repertoires, so auch die Geschichte der chinesischen Prinzessin Turandot, die nur jenen heiraten will, der ihr drei Fragen beantworten kann. Viele sind daran gescheitert und haben es mit dem Leben bezahlen müssen. Aber jetzt taucht der Tatarenprinz Calaf auf und löst die drei Rätsel. Turandot will ihn aber nicht heiraten, doch ihr Vater weist auf das Gesetz, da greift Calaf ein und gibt ihr ein Rätsel auf: Sie soll seinen Namen herausfinden. Die Sklavin Liu kennt den Namen, weigert sich aber ihn zu nennen und bevor sie unter Folter dazu gezwungen wird, tötet sie sich selber.
Bis hierhin hat Puccini sein Werk komponiert, dann starb er, und man bat Franco Alfano ein Finale hinzu zu komponieren, bei dem Calaf und Turandot zusammen kommen. Aber war dies wirklich der Wunsch Puccinis? José Cura und Lüttichs Operndirektor Stefano Mazzonis meinen nein, und aus dem Grund lassen sie die Oper mit Lius Tod enden. Zumal Turandot von Regisseur Jose Cura als Märchenoper, als Fabel angelegt ist.
So lässt er, bevor sich der Vorhang hebt, ein Gruppe Kinder unter anderem mit Legoklötzen das große Tor der verbotenen Stadt auf der Vorbühne aufbauen, ihnen wird die Geschichte erzählt. Und wenn man sich die Welt der Märchen anschaut, dann fällt auf, dass viel Fabeln recht grausam sind.
Die Moral von Turandot ist, dass Liu ihre Kraft durch die Liebe erhält und somit wird die hier gewählte Schlussszene mehr als logisch. Mit der jungen Heather Engebretson hat man in Lüttich eine wunderbare Liu verpflichten können. Wie sie die Rolle gestaltet und singt, lässt niemanden unberührt. Zurecht wurde sie vom Publikum gefeiert. Wie natürlich auch Jose Cura, der nicht nur die Regie übernahm, sondern selber auch den Calaf sang. Jose Cura ist immer noch einer der führenden Tenöre unserer Zeit. Mit kraftvollem Glanz singt er die Partie. Weniger überzeugend wirkte hingegen Tiziana Caruso als Turandot. Es ist aber auch eine unglaublich fordernde Rolle.
Dass Dirigent Paolo Arrivabeni ein Kenner des italienischen Fachs ist, hat er schon oftmals bewiesen. Auch diesmal verstand er es die Farben der Puccini-Partitur mit seinem Orchester auszuarbeiten. Dabei scheute er sich nicht die fortissimo-Passagen auszuleben. Das Orchester ist so groß besetzt, dass das Schlagwerk sogar in einer der Seitenlogen Platz finden muss. Der Chor nimmt auf den Emporen des großen Tors, das Cura als eindrucksvolle Kulisse hat bauen lassen, Platz. Wenn man bedenkt, dass Puccini einen 100 Sänger umfassenden Chor haben wollte, ist es nachvollziehbar, dass der Lütticher Chor ab und zu etwas dünn klang. Großartig und besonders hervorzuheben ist hingegen die Leistung des Kinder- und Jugendchors der Lütticher Oper. Die sogenannte Maîtrise sang ebenso sauber wie klangschön.
Bis zum 4. Oktober steht Turandot noch auf dem Spielplan. Es ist ein mehr als überzeugender Einstieg in die neue Saison. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall.
Hans Reul - Bilder: Lorraine Wauters/Opéra Royal de Wallonie