Es gibt Opernabende, die man so schnell nicht vergisst. Die Premiere von Leos Janaceks "Die Sache Makropulos" in der Oper Antwerpen wird definitiv dazu zählen. Wie im Flug vergeht die knapp zweistündige Aufführung, die einen mit ihrer Spannung und höchsten musikalischen Qualität durchgehend zu fesseln versteht.
Dabei zählt die vorletzte Oper von Leos Janacek nicht zu den meistgespielten Werken des Komponisten: "Jenufa" und "Katia Kabanova" gehören mittlerweile zum Repertoire, aber so glänzend in Szene gesetzt wie hier, steht "Makropulos" diesen beiden Opern in nichts nach.
Ist es ein Segen unsterblich zu sein? Diese und andere Fragen stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte. Die Sängerin Emilia Marty ist mittlerweile sage und schreibe 337 Jahre alt. Ihr Vater, Hieronymos Makropulos musste auf Anordnung von Kaiser Rudolf II an ihr ein Elixier zur Lebensverlängerung testen, das sie tatsächlich unsterblich machte. Sie hat im Laufe ihres Lebens Länder, Liebhaber und Identitäten gewechselt, allerdings immer die Initialen E.M. behalten, so wurde aus Elina Makropulos letztendlich Emilia Marty.
Sie wird jetzt in einer über hundert Jahre zurückliegenden Gerichtssache, einem Erbschaftsstreit zwischen den Familien Gregor und Prus eingreifen, denn sie weiß, was damals geschah, sie war ja dabei gewesen. Aber sie ist vor allem auf der Suche nach dem Schriftstück, das eben das Geheimnis des Elixiers aufweist. Janacek griff hier auf eine Komödie von Karel Capek zurück, die er in eine dramatische Tragödie verwandelte. Hintergründige Spannung bestimmt die Geschichte und die Inszenierung von Kornel Mondruczo.
Er lässt die Handlung in einem Gerichtsaal beginnen, bei dem sich die Streithähne gegenüberstehen und Emilia Marty auftaucht, sofort verfallen ihr alle Männer, wie es zu allen Zeiten, in jedem Jahrhundert ihres Lebens der Fall gewesen ist. Dann setzt sich die Geschichte in einem Luxusappartement fort, in dem jedes Detail, jedes Möbelstück seine Bedeutung hat. Ganz am Ende schweben Stühle und Tische wie von Geisterhand in die Höhe. Auch dies ein Bild, das man nicht vergisst.
Die Regiearbeit von Mondruczo ist so packend und schlüssig, wie man es sich besser nicht wünschen kann. Und ihm steht ein grandioses Sängerensemble zur Verfügung. Jede Rolle ist typgerecht besetzt, vor allem die Titelpartie. Die Schweizer Sopranistin Rachel Harnisch gibt ihr Debüt als Emilia Marty. Sie durchlebt jede Szene absolut glaubwürdig und rückhaltlos intensiv.
Und nicht zu vergessen ist die grandiose Arbeit des Orchesters der Flämischen Oper, dessen Qualitäten wir in der vorigen Saison auch schon mehrfach hervorgehoben haben. Unter der Leitung des jungen Dirigenten Tomas Netopil bringen die Musiker die manchmal ruppige und dann wieder sentimentale Musik Janaceks zum Leuchten.
Diese Produktion ist grandioses Musiktheater. Bis zum 22. September wird "Die Sache Makropulos" in Antwerpen und danach vom 4. bis 9. Oktober in der Oper Gent gegeben.
Mehr Infos gibt es auf der Webseite der Flämischen Oper.
Hans Reul - Bilder: Annemie Augustijns