Verdis "Macbeth" ist und bleibt eine große Herausforderung für jeden Regisseur, Dirigenten und Sänger. Die Geschichte um Königsmord, Kinderlosigkeit, Freundschaft und Verrat ist nicht leicht auf die Bühne zu bringen und die Solisten sind von Verdi aufgefordert, dramatisch und nicht unbedingt schön zu singen.
Die Feldherren Macbeth und Banco kehren von einer siegreichen Schlacht zurück. Da wird ihnen von Hexen die Vorhersage gemacht, dass Macbeth König von Schottland und Banco ein Königsgeschlecht gründen werde. Lady Macbeth hetzt daraufhin ihren Gatten auf, König Duncan zu töten. Gesagt getan, aber jetzt ist Banco für Macbeth eine Gefahr, also muss auch er dran glauben, was dem Seelenheil Macbeths aber nicht gut tut. Er verliert den Verstand, holt erneut Rat bei den Hexen, die ihm prophezeien, dass niemand, der von einer Mutter geboren wurde, ihn töten könne. Da fühlt sich Macbeth in Sicherheit, bis Macduff ihm klarmacht, dass er nicht auf natürlichem Wege zur Welt gekommen ist, sondern der Mutter entrissen wurde - eine martialische Umschreibung des Kaiserschnitts - und Macduff wird Macbeth töten und unter dem Jubel des Volkes neuer König.
Vor sechs Jahren hat der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski in der Brüsseler Oper eine ebenso spannende wie tiefgründige Inszenierung auf die Bühne gebracht, die einen lange Zeit förmlich verfolgte. Nicht alles war da klar offen gelegt, muss es auch nicht sein.
Olivier Fredj hat gewiss auch nach einem persönlichen und doch allgemein gültigen Ansatz gesucht. Aufgrund der Tatsache, dass La Monnaie noch nicht ins Stammhaus umziehen konnte (Siehe auch: United Music of Brussels und La Monnaie bleibt die ganze Saison im Palais Monnaie), sondern die Saison im Palais Monnaie auf dem Gelände von Tour et Taxis gegeben wird, war seine Vorbereitungszeit recht begrenzt. Fredj verweist zurecht immer wieder auf den psychologischen Aspekt. Ist die ganze Geschichte nicht ein Alptraum? In seinem Einführungstext zitiert er fast folgerichtig und zwangsläufig, Sigmund Freud, die Psychoanalyse, das Ich, Über-Ich und Es und sieht dies in Macbeth, Lady Macbeth und den Hexen. Passend dazu sind die Bilder, die er während der Ouvertüre auf den Bühnenvorhang projiziert: Momentaufnahmen zwischen Schlaf und Erwachen oder Bilder, die sich aus an den Rorschachtest erinnernden Darstellungen entwickeln.
Die Handlung selbst spielt in einem Hotel, das in seiner Ausstattung an die 1960er Jahre erinnert. In der Lobby, im Bad oder auch in der Küche. Die Bühnenwände dienen immer wieder als Projektionsfläche. Die Hexen sind in schwarz-weiß designte Kostüme gekleidet, die ein wenig psychedelisch daherkommen und mit ihren zappeligen Bewegungen manchmal an ein Musical erinnern. Den Chor lässt Fredj entweder in den Kulissen, neben dem Orchestergraben oder meist im Bühnenhintergrund singen. Somit braucht er sie nicht in Szene zu setzen, außer, und das ist der stärkste Moment der ganzen Produktion, wenn die Choristen im Saal zu Beginn des vierten Akts "Patria oppressa" singen, also ihre geschundene Heimat beklagen.
Der Chor der Monnaie war bei der Premiere stimmlich hervorragend disponiert, dies gilt leider nicht für alle Solisten. Sowohl Scott Hendricks, der damals in der Warlikowski-Produktion einen atemberaubenden Macbeth sang, brauchte diesmal eine längere Anlaufzeit bis er seine großen Qualitäten ausspielen konnte, gleiches gilt für Beatrice Uria-Monzon, die vor allem im tiefem Register immer wieder kleine Schwierigkeiten hatte, ihre Wahnsinnsarie, abgesehen vom Schlusston aber vorzüglich sang. Sehr überzeugend war Andrew Richards in der anspruchsvollen Tenorpartie des Macduff, auch er war schon 2010 dabei.
Herausragend auch die Orchesterleistung. Unter dem inspirierten Dirigat des Verdi-Spezialisten Paolo Carignani gestaltet das Orchester Verdis Musik zu Drama und Krimi.
Bis zum 29. September steht Macbeth noch sieben Mal auf dem Programm von La Monnaie.
Hans Reul - Bilder: B. Uhlig