Bevor er als Journalist gearbeitet hat, war Philippe Schockweiler für die Grünen-Fraktion im Europaparlament in Sachen Menschenrechte unterwegs, immer wieder auch im postsowjetischen Raum, in Belarus oder der Ukraine: "Wenn man dann auch Menschen in der Ukraine kennt, aus der Zivilgesellschaft, Menschen, die sich engagieren, war es für mich ganz normal, mich als Journalist einzubringen. Ich rede ja auch die Sprache und habe schon oft in diesem Teil der Welt gearbeitet. Für mich war nur die Frage: Wann gehe ich dahin?"
Mit einer Entscheidung hat Philippe Schockweiler dann auch nicht lange gewartet: "Ich war Anfang März zum ersten Mal an der polnisch-ukrainischen Grenze nahe der Stadt Przemysl. Das ist im Südosten Polens, auf der Achse Richtung Lwiw."
Geschichten von Vertreibung und Zerstörung
Dort wollte Schockweiler schauen, wie der humanitäre Transport abläuft: "Wie werden die Flüchtlingswellen, die da ankommen, von polnischer Seite betreut? Aber es war wichtig, auch in diesem Moment schon rüberzugehen und zu sehen: Wie sieht es aus mit den Auffangstrukturen auf der ukrainischen Seite?"
Dabei wurde ihm nach eigenen Worten sehr schnell die Größenordnung des Konfliktes bewusst. "Weil wir dort mit Menschen geredet haben, die sowohl aus Kiew, aus Lwiw als auch aus dem Osten und aus dem Süden geflüchtet sind. Und die haben eigentlich alle die gleichen Geschichten erzählt, also Geschichten von Vertreibung, von Krieg, von Zerstörung."
"Und es wurde einem in diesen ersten Tagen nach der russischen Invasion sehr, sehr schnell klar, dass dies ein Konflikt ist, der jeden und jede in der Ukraine betrifft", erinnert sich der Journalist.
Nicht "klassische" Kriegsberichterstattung
Für seine Reportagen im "Lëtzebuerger Journal" schaut Philippe Schockweiler umso genauer hin, hört umso aufmerksamer zu. Es gehe nicht nur um die offiziellen Zahlen, die geliefert werden oder um die klassische Kriegsberichterstattung.
"Neben den Fragen 'Was hat wo stattgefunden? Wer hat wo angegriffen? Wie ist da verteidigt und reagiert worden?' ist es eben sehr wichtig, das zivile Leben der Ukrainer widerzuspiegeln, weil es das widerspiegelt, was die Ukraine ist: ein demokratischer Staat, in dem die Menschen versuchen zu überleben."
Dabei lenkt Philippe Schockweiler den Blick auch auf Bevölkerungsgruppen, die in der generellen Medienberichterstattung nicht vorkommen. So beschreibt er in einem "Lëtzebuerger-Journal"-Artikel vom 17. Juni die Situation der ukrainischen Roma mit einer "Zwickmühle" – ausgehend von der Erfahrung, dass sie anders als die übrigen Kriegsvertriebenen etwa in Nachbarländern wie Tschechien oder der Slowakei als "Wirtschaftsflüchtlinge" abgestempelt wurden.
"Da ist natürlich die Europäische Union gefragt. Ich habe mich dann Anfang Juni in genau diese Gebiete in der Ukraine begeben, um einerseits darüber zu berichten und wie die Bevölkerung dies empfindet. Da gibt es zum Beispiel sehr interessante Begegnungen von Roma aus der Ostukraine, die andere Bräuche, andere Traditionen haben und jetzt bei Roma in der Westukraine leben."
Nächste Reisereportage schon geplant
Philippe Schockweiler will es nicht dabei bewenden lassen. Die nächste Reportage soll ihn noch näher an die Kampfhandlungen heranführen.
"Was in den nächsten Wochen entscheidend sein wird, sind die Auseinandersetzungen im Osten des Landes. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, hier nicht nur auf die großen Kriegsbewegungen zu schauen, sondern auch auf das Leid der Zivilbevölkerung", so der Journalist. "Daher würde ich meine nächste Reise auf jeden Fall Richtung Ostgebiete der Ukraine ansetzen."
Die Beiträge von Philippe Schockweiler kann man auf der Seite des "Lëtzebuerger Journals" nachlesen.
Stephan Pesch